Der grosse Rummel ist vorbei, die Stadt wird ruhig und ich mache meinen traditionellen Abendspaziergang mit Christbaumkugelselfie. Mittlerweile ist es gar nicht mehr so einfach, die Läden, Restaurants, ja die Stadt selbst packt Weihnachten am 24. um 16:00 ein, um allfälligen Vandalen keine Chance zu bieten. Trotz allem finde ich auf meinem Weg noch eine Kugel - patschnass wie ich selbst. Das Jahr geht bald zuende, Zeit für einen Rückblick.
Fotografisch war es für die Tonne, viel zu sehr war ich in meinem Job eingespannt, als dass ich ordentlich Zeit und Musse für ordentliche Fotospaziergänge gefunden hätte. Immerhin fand dann und wann eine Strecke in meine Galerie und ich habe in meinen schlappen Abenden viel gelesen und gelernt.
Jobmässig habe ich die Erkenntnis gewonnen, was mir wichtig ist - Menschen ein Werkzeug zu geben, mit dem sie ihren Job (besser) erledigen können. Das kam in diesem Jahr zu kurz, das Ding, mit dem ich mich primär auseinandersetzen musste, kann ich nicht als Werkzeug sehen.
Auf der anderen Wagschale liegt ein soziales Netz, das sich über die letzten Jahre seit meinem schleichenden Umzug nach Zürich langsam formt. Ich habe das erste Mal das Gefühl, zu Menschen Kontakte zu pflegen, weil ich sie toll finde - nicht weil ich verwandt mit ihnen bin, mit ihnen in die Schule gehe, arbeite oder sonstwie eine Abhängigkeit besitze. Es fühlt sich gut an.
Noch ein gutes Jahr und ich werde 50. Abgesehen davon, dass das so richtig alt ist (mit grauen Haaren und Gleitsichtbrille) habe ich auch das Gefühl, noch einmal etwas verrücktes, etwas komplett anderes tun zu wollen. Sabattical? Schwierig, das kriegt man üblicherweise nach langer Zeit bei einer Firma, meine beiden Jobwechsel in den letzten drei Jahren verhindern solches. Grosse Ferien? Auch schwierig, im Gegensatz zu früher muss ich meine Ferien jeweils per Ende Jahr abgebaut haben oder aber sie landen auf dem Lohnzettel. Zudem habe ich das dumpfe Gefühl, meine beste Reise schon gemacht zu haben. Etwas lernen? Die Idee hatte ich schon Ende 2012, habe sie aber zugunsten einer befristeten Wohnung zurückgestellt.
Mit solchen Gedanken im Kopf laufe ich eines Abends im Juli im Stadelhofen an obigen Steller vorbei. Ein längerer Surfabend, die Erkenntnis, dass das Programm passen würde, die Verteilung über ein Jahr nicht ganz dem entspricht, was ich mir vorstellen würde. Ich vertage weitere Entscheidungen auf den Abend, an dem ich die Leute persönlich kennenlernen kann.
Und dieser ist jetzt, Ende November. Zwei Stunden tummle ich mich in dem Studio, höre einen längeren Vortrag, spreche mit den Lehrern und potentiellen Mitschülern - ja, das könnte passen. Jetzt heisst es Abklären, ob die Kosten und die Zeit drinn liegen. Ich bin gespannt!
Gleitsichtbrille. Wie graue Haare für viele Frauen der wahre Horror sind (und sie es, bis sie alt und schrumpelig sind, mit Farbe zu vertuschen versuchen), ist der Verlust der Fähigkeit, in der Nähe scharf zu sehen, für mich ein Zeichen des Altwerdens. Gruselig! Aber da muss ich jetzt durch, das Leben ist kein Ponyhof.
Ich beschäftige mich den Sommer über mit der Natur und dem Umgang mit solchen Gläsern. Gehe Dingen nach wie sphärische und chromatische Aberration und unserer Fähigkeit - im Gegensatz zu Film und CMOS Sensor - solche Fehler zu korrigieren. Verfolge aber auch praktische Fragen, ob man damit beispielsweise fotografieren kann und wie weit sich damit das Sichtfeld - und damit meine Fähigkeit, Dinge in meiner Umgebung zu entdecken - eingeschränkt wird. Oder - noch praktischer - welcher Optiker in Zürich die breiteste Auswahl an Glas hat. Lange Jahre war ich Zeiss Träger (was für meine Kamera gut ist, kann ja auch für meine Augen OK sein), die letzten Gläser waren von Rodenstock (extrem dünn, asphärisch geschliffen - ich brauchte drei Monate, bis die Welt wieder gerade und eckig war).
Mit diesem Hintergrundwissen nutzte ich einen Freitag im September und liess mich ausmessen. Die Beschreibung, wofür man seine Augen typischerweise benutzt, hilft den Optikern, aus dem Wust an Optionen die passenden zu suchen. Selbst meine Kamera begleitete mich mit dem Hintergedanken, am Schluss auch etwas durch den Sucher zu sehen.
Die aktuellen Metallgestelle sind allesamt sehr filigran und kaum geeignet, meine -10 Dioptrien Korrektur langfristig am Platz zu halten, Plastik kommt für mich nicht in Frage und so endete ich bei Horn. Das finale Gestell musste aus vier separaten zusammengefrankensteint werden: Vom einen die Form (ziemlich rund, aber nicht perfekt kreisförming), vom anderen die Nasenbreite (mein Zinken ist mit 18mm sehr schmal), vom dritten die Bügellänge und vom vierten die Farbe. Mitte Oktober war das Gestell bereit und Zeit, die Gläser auszumessen - auch diese werden per CNC Fräsen passend zugeschliffen. Noch einmal zwei Wochen später ist alles bereit und ich sehe meine Umwelt wieder scharf.
Die Brille ist von einem grossen Paket begleitet, darin das Foto, auf dessen Basis die Gläser eingepasst wurden. Irgendwie gruselig, irgendwie faszinierend - aber auf jeden Fall eine gute Erinnerung an diese Phase in meinem Leben.
Die Arbeit hat mich wieder. Ich purzle reichlich spät aus dem Zug von Bern und vermisse gleich die ordentliche Kamera im Rucksack. Der Blick aus dem Bahnhof, in die untergehende Sonne, ist einfach nur geil.
Wie gut gibt es Handies
Die perfekte Vorbereitung: Ich weiss, wo ich eine einigermassen dunkle Stelle habe, wie lange der Mond auf sich warten lässt und in welche Richtung die Milchstrasse erscheinen soll. Hin und Rückfahrt sind im Fahrplan gefunden, die 500er Regel habe ich verstanden, mich in das mit den variablen und invariablen ISOs eingelesen. Es kann nichts mehr schief gehen!
Denkste. Ich purzle gegen sechs aus dem Bus und mich pustet beinahe die Bise von den Füssen. Ein bisschen kalt, um jetzt die nächsten vier Stunden draussen herumzustehen - zumal das Stativ vermutlich noch mehr zittern wird als ich selbst. Aber immerhin ein Projekt für den nächsten Sommer!
Seit ein paar Jahren betreibt die SBB zusammen mit ausgewählten Gemeinden das Projekt Railfair. Lokale Private zeigen für ein paar Stunden Präsenz an Bahnhöfen - quasi ein Kontrastprogramm zu den professionellen Wachleuten und der Bahnhofspolizei.
Ich lasse mir die Chance nicht nehmen, eine kleine Reportage über einen solchen Abend zu machen und streife mit zweien durchs Zürcher Oberland. Kunden beraten, defekte Entwerter melden, ein paar Jugendliche bös angucken - dazu ein paar tausend Schritte durch das spätsommerliche Wetter gehen.
Danke Euch Beiden, es war ein toller Abend!