Dezember, Glitzer- und Funkelzeit. Meine Arbeitslast ist weiterhin tief, doch sind alle um mich herum so angespannt, dass ich die Nervosität nicht von mir weisen kann. Ziemlich genau am 18. spüre ich den Zusammenbruch meiner Mitplanetarier - ab jetzt kann ich in Ruhe meinen Job erledigen. Die Entspannung sorgt dann aber doch für einige Migräne.
Nach dem eher misslungenen November nehme ich mir diesen Monat bei jedem Bild Zeit und Musse, es gestalterisch ordentlich anzupacken. Ich suche ein Motiv, passende Distanz, Höhe und Winkel, gucke mir Ausschnitt, Perspektive und allfällige Störfaktoren in Sucher und Monitor an. Das Resultat beginnt mir zu gefallen und ich erkenne, dass zwischen einem 35er und 28er Welten liegen. Mit dem 35er kann ich einfach „drauflosfotografieren“ und es kommt gut, das 28er ist bereits so weitwinklig, dass eine orentliche Gestaltung Pflicht ist.
Spannend, noch nie hat mich ein Stück Glas so zum Lernen gezwungen
In Kürze sind es 38 Jahre, dass mich ein Metz Mecablitz 45CT4 begleitet, er ist das älteste Stück Hardware, das ich regelmässig einsetze. Ich liebe ihn, doch zeigt er so langsam Alterserscheinungen: Die Kontakte im Batteriekäfig sind mehrheitlich Oxyd, die Synchrokabel haben diverse Brüche und es dauert - natürlich immer dann, wenn Modelle warten - 20-30 Minuten, bis ich Licht aus ihm bekomme. Was moderne Blitze zu tun vermögen, weiss ich seit meiner Fotoschule, gleichzeitig war mir aber auch klar, dass die chinesische Firmware alles andere als harmonisch mit der japanischen Kamera umgeht. Seit diesem Sommer gibt es einen neuen Trigger, zu dem diverse Forenpostings in der Welt ein ordentliches Funktionieren dokumentieren.
Die kommenden Ferien im Hinterkopf liessen die Idee gären, meine letzten Fotoferien Copy & Paste zu übernehmen und mich mit solchem (modernen) mobilen Licht auseinanderzusetzen. Plötzlich wurde es akut, ich bekam Mitte Dezember einen Gutschein mit dem Hinweis unserer Buchhalterin, dass er bis Ende Jahr eingelöst werden muss.
So pilgerte ich am 23. Dezember in den hiesigen Fotografenausrüster, stellte mich in die Schlage und holte chinesische Kartons ab. Ziemlich viel schlechtes Gewissen dabei, schliesslich will ich den Detailhandel in dieser chaotischen Zeit nicht noch mehr stressen…
Die Weihnachtsdeko wurde in Zürich bereits am 23. Dezember abgebrochen. Entsprechend gab es auch keines der traditionellen Christbaumkugelselfies an Heiligabend, was ich an diesem Samstag aber noch nicht weiss.
Ich experimentiere mit Bildideen, die mir schon länger durch den Kopf gehen. Würde es funktionieren? Ich mache öfters derartige Selbstversuche, bei denen ich tüfteln, schieben, verwerfen und neu beginnen kann, ohne das das Modell grantig wird. Wenn eine Idee dann einigermassen ausgegoren ist, erlaube ich mir, sie auch mit anderen Menschen umzusetzen. Dass ich selbst mal vor der Kamera stand, gibt mir das Wissen und Selbstvertrauen, meinen Modellen Anweisungen zu geben. Ich war auch einmal in dieser beschissenen herausfordernden Situation
Ganz abgesehen hilft dieses Bild, meinen Vorrat an IKEA Teelichter etwas zu reduzieren. 100 waren es vor gut 10 Jahren und bei der aktuellen Abbaurate müssen meine Erben sie entsorgen
Mein Arbeitgeber ist in einer Restrukturierungsphase und ich vermeide tunlichst, mir neue Projekte anzulachen, um den noch unformulierten zukünftigen Anforderungen gerecht werden zu können. So gerät dieser November ruhiger als gewohnt.
Ich kämpfe: Mir fehlt auf meinem Weg durch die Welt ein imaginärer Sucherrahmen für 28mm. Die 24mm, 35mm oder 50mm sind fest verdrahtet, ich kann ein Motiv betrachten, weiss, wie viel davon aufs Bild kommt und ob ich meinen Platz wechseln muss. Mit dieser Linse fehlt mir das, ich kapituliere öfters als mir lieb ist und muss alternative Subjekte suchen.
Ich bin begeistert: Es ist fantastisch, welche Abbildungsleistung selbst in die Ecken aus dem kleinen Ding kommt, mehrfach geniesse ich die Möglichkeit, auch bei 1/4 Sekunde noch unverwackelte Bilder zu produzieren.
Im Frühsommer hatte ich zwei Monate lang Migräne, nahtlos folgte eine Welle auf die andere. Tagebuch führen sollte ich wohl, um das Ganze quantifizieren zu können, und so hatte ich nach einer schlaflosen, weil schmerzhaften Nacht die Migräne App der Schmerzklinik Kiel auf meinem Handy. So findet die zweite Phase im Herbst, bei der die Wellen zwei Monate lang überlappend daherkommen, eine saubere Dokumentation.
Die Erkenntnisse der ersten 6 Monate: Ich prügle mich viel zu oft durch meine Arbeit, als dass ich behandlungsbedürftig wäre und mein Schmerzmittelkonsum ist (bedingt durch familiäre Erfahrungen) so tief, dass es niemanden kümmert.
So bleibe ich auf mich selbst gestellt und werde mich weiterhin fototherapeutisch damit auseinandersetzen *kopfkratz*
Dieser Oktober wird zu einem Fotomonat, ich habe ein paar Ferientage und ziehe das Bild vom Tag weiter.
Nach dem Takumar aus Mitte 60ern und dem Superzoom aus Mitte der 90er bin ich bei einem Pancake aus Mitte der 20er angekommen. Es ist der neue geile heisse Scheiss, die elektronische Korrektur nicht mehr nur Notbehelf, sondern integraler Bestandteil des Objektivdesigns. Es ist wunderbar klein und leicht, hat 28mm und könnte dieselbe Nische wie das 35mm Takumar abdecken.
Als erstes beschäftige ich mich mit einer Kordel und Tasche für meine Kamera, ist sie mit diesem „Gehäusedeckel“ nicht halb so gross wie zuvor. Bei beidem überzeugen mich die aktuellen Produkte der Fotoindustrie nicht sonderlich: Bei den Kordeln muss immer ein Schnellverschluss mit dabei sein, der nicht sonderlich vertrauenerweckend aussieht und immer im Wege liegt, bei den Taschen haben sich die Erbauer überlegt, dass sie zwar einen Deckel haben sollen (und stark „ich bin eine Fototasche“ schreien), dann aber einen fummeligen Reissverschluss auf der Rückseite haben, der nicht vom Deckel gegen Regen geschützt wird. So recycle ich die bestehende Tasche (sie hat jetzt halt 2/3 Luft) und modifiziere einen alten Tragriemen (immerhin gehörte er zu einer EOS 1) zu einer praktischen Handschlaufe.