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Vintage

Jeden Tag ein Bild, so mein Vorsatz. Das Konzept noch recht unausgegoren - geht es primär auch nicht darum „Kunst“ zu machen, sondern vielmehr Ueberwindung meines allgemeinen Tiefs, das mich ein halbes Jahr begleitete.

Der Oktober beginnt als Sammelsurium, mit der Zeit schleichen sich nebst meinen gewohnten Eindrücken von Unterwegs auch abstraktere Bilder in die Kollektion. Ich lerne auch, dass ich bisweilen einen Joker ziehen und ein Bild in meiner Stadtwohnung machen darf.

Einkauf

Nach dem doch eher üblen Sommer 2022 brauche ich eine Veränderung in meinem Leben. Unterwegs zu sein ist etwas, was so langsam wieder funktioniert, die Kunden spielen mit. Ich spüre aber gut, dass Kamera mit ordentlichem Glas + Notebook + Wasserflasche aktuell einfach zu viel für meinen degenerierten Rücken ist. So suche ich ein leichtes Weitwinkel - leicht im Sinne von etwa 28~40mm, aber auch im Gewicht. Etwas Retro darf durchaus sein, ein ordentliches 35er steht schon in meiner Vitrine.

Ich guckte mir schon länger das Minitar-1 (1:2.8/32mm) an, seit letztem Jahr war es ausverkauft und ich rechnete nicht damit, dass es nach dem Handelsstopp mit Russland noch einmal auftauchen würde. Es ist aber wieder da. Nur, sind die 350.- für russisches Glas in chinesischer Fassung wirklich den Preis wert?

Vielleicht Chinesisches Glas? Das 7Artisans 1:5.6/35 wäre schick klein und leicht, 150.- ist schon eher das, was ich mir vorstelle. Aber fixe Blende? Das ist mir dann doch etwas zu archaisch.

So nutze ich die Chance und reise zum Photoflohmarkt in Lichtensteig. Etwas mit M39 oder M Bajonett wäre nett, weil kleines Auflagemass - interessanterweise gibt es zwar einige Leica Bodies, aber null Linsen mit entsprechendem Anschluss. Da haben wohl schon andere gewildert und nicht nur die absurd teuren Summicron und Summilux abgestaubt, sondern auch die preiswerte(re)n Minolta M-Rokkore, die Konica M-Hexanons, die frühen Nikkorre und all die unzähligen Deutschen Linsen, Clones und 3rd Party Linsen.

Etwas ab vom Schuss stosse ich auf ein Super Takumar 1:3.5/35mm. Klein und sehr leicht. Die Springblende ist nicht mehr taufrisch (known bug), da ich es sowieso adaptiere und manuell abblende, passt das. Es ist wohl ein bisschen älter als ich (Version III von 1965-1971), aber nicht radioaktiv wie das 1:1.4/50er. 40.- möchte der Verkäufer, er legt noch einen original Metalldeckel obendrauf und wir werden handelseinig. Etwas nebenan finde ich in einer Grabbelkiste eine passende Gummisonnenblende. Wir unterhalten uns über das Verschwinden solcher, trotzdem werde ich für 5.- Besitzer.

Die Kombi ist jetzt im Rucksack und belastet mich mit weniger als einem Kilo. Mein Vorsatz lautet „jeden Tag mindestens ein Bild“, wenigstens so lange, wie es klappt. Mal sehen, ob es etwas wie das Blumenjahr entiwcklet ;-)

Sommer 2022

Ein wunderbarer Frühling und ein selten schöner Sommer liegen hinter uns, die vergangenen Tage brachten mit Regen und Abkühlung. Ob es noch für einen goldenen Herbst reichen wird?

Ich war schon im vergangenen November unter Druck geraten, einer meiner Kunden begann mit mir zusammenzuarbeiten, nachdem ich fast drei Jahre dafür gekämpft habe. Anfangs Jahr, gleich nach meinen Fotoferien, war ich dann endgültig unter Wasser - da lagen sieben Tage Arbeit pro Woche auf meinem Stapel, die Energie reichte viel zu selten für eine 50-Stunden-Woche, um etwas Luft zu schaffen. Die Aufhebung des Corona Wahnsinns brachte zusätzliche Veränderung und Unsicherheit, die meinem Wunsch nach Neubeginn entsprachen, mich aber gleichzeitig herausforderten. Mitte Mai eskalierte ich, bis dann aber die Entspannung der Arbeit wirklich zog, war es August. Prompt verstrich es mich Ende Juni mit einer Sommergrippe und kombinierte die heissen Tage mit den Folgen des Käfers.

So war ich das vergangene halbe Jahr einfach fertig. Oft ging ich durch die Strassen, der Kopf balla-balla, der Körper wackelig. Noch viel öfters ging ich nicht durch die Strassen, sondern vegetierte in meiner Stadtwohnung.

Auf meiner persönlichen Todo Liste liegt der Wunsch, mir ein Reportage Portfolio zusammenzustellen. Ende April reiste ich mit Sack und Pack in den Schwarzwald und machte die erste Hochzeitsreportage nach meiner Schule. Schon bei der Vorabbesprechung hatte ich ein mulmiges Gefühl um Bauch und die Frage im Kopf, ob Fotos möglich sind, die dem Paar gefallen. Getreu meiner Filosofie, Beobachter zu sein, folgte ich dem trüben Tag in einem Klassenlagerhaus aus den 50ern. Die Bilder fielen durch.

Bei der zweiten Hochzeit Ende Mai stimmte das Wetter und die Lokation gab etwas her, dass die Luft draussen war, spürte ich aber gut. Ich war heilfroh, eine grosse Portion Wohlwollen vom Brautpaar bekommen zu haben.

Die dritte Reportage Mitte Juni an unserem Teamtag zeigte mir endgültig, dass ich nicht mehr auf der Höhe bin. Ich sehe auf den Bildern, wie sehr ich am Boden war, wie wenig Energie noch im Beat steckte.

Lehrreich war es allemal. Keine Reportagen, wenn ich nicht auf der Höhe meiner Selbst bin. Und Absagen, wenn das Bauchgefühl nicht 100% Ja sagt - zumindest so lange ich nicht meinen Lebensunterhalt damit bestreite.

Hinter mir liegen zwei Wochen Ferien, die ich wie diejenigen im Januar/Februar schon letztes Jahr buchen musste. Ich schaffte dieses mal, meine Arbeit vorab sauber einzutüten und möglichst viel abzuschliessen - dafür schaffte ich es nicht, mir ein Programm für die Tage zusammenzustellen. Ich schlief sicher die Hälfte der Zeit, verbrachte ordentlich Zeit auf Wikipedia und war selten unproduktiv. Immerhin, es gab eine Reportage und ich sehe, dass ich wieder „da“ bin. Das weckt Vertrauen in mich, welches mir die letzten Monate gefehlt hat.

Beste Freundin

Heute sind es 10 Jahre, dass ich mitten in einem kalten Serverraum die SMS Ihre Bestellung Nr. 18 1681 ist abholbereit bekam. Auf dem Heimweg von Genève noch einen Abstecher in den Foto Bären (mittlerweile Geschichte…), kurzer Kampf gegen die Limiten der EC und Kreditkarte und ich hatte meine „grosse“ Kamera.

Der Weg zu ihr war ein langer Prozess - hatte ich doch in meinen 20ern angedacht, so richtig zu fotografieren, wenn ich alt bin. Mein Vater starb November 2011 mit 67 und ich sah, wie wenig Zeit ihm (und mir?) „im Alter“ bleiben könnte. So stellte ich Anfangs Jahr meine Hasselblad auf den Tresen meines Lehrgeschäftes, in dem ich die Kamera 1988 erwarb und plangte auf eine grosse Digiknipse. Ich schwankte zwischen der „roten“ 3D3 und der „gelben“ D800, war ich doch noch nicht durch Glas an ein System gebunden. Blicke ich ein Jahrzehnt später in meine Vitrine, so bin ich überzeugt, dass die Entscheidung damals richtig war.

Schnell wurden wir Freunde, sie begleitete mich vielleicht eine halbe Million Kilometer in in meinem Rucksack, wir machten gar einen Abstecher auf einen anderen Kontinenten. Nebst dem Reisen fanden wir bald Freude an Menschen und machten Reportagen wie Hochzeits Fotografie. Es wurde zum geflügelten Wort, dass ich meine Beste Freundin mitbringe.

Mittlerweile ist der Lack an diversen Stellen ab und durch Patina ersetzt, der Verschluss hat 66'589 Belichtungen hinter sich, das ursprüngliche 24-105 wurde nach Totalschaden ersetzt, die zweite Generation Batterien und Speicherkarten sind im Einsatz. Nicht lange her wurde ich gefragt, ob ich sie gegen dasselbe Modell mit weniger Belichtungen und vollständigem Lack eintauschen möchte - doch haben wir zwei so viel miteinander erlebt, dass ich mich nicht trennen mochte.

Im Rahmen meiner Fotoschule hat sie mit dem kleinen Pfupf einen Bruder bekommen, mit dem sie ein wildes Sammelsurium von Glas und ohne-Glas teilt. Der Altersunterschied zwischen den beiden ist zwar nur 8 1/2 Jahre, der technische Fortschritt nebst der rohen Verdoppelung der Pixel, drei Blenden zusätzlichem Belichtungsumfang und dem Wegfall des Spiegels enorm. Trotz allem harmonieren die beiden miteinander und ich freue mich darauf, Ende April und Ende Mai mit meiner besten Freundin als B-Kamera zwei Hochzeiten zu realisieren.

Blibed Gsund

Vor genau zwei Jahren kapitulierte auch unsere Exekutive - am Freitag, dem 13. März 2020 schlossen die Schulen, drei Tage später der ganze Rest. Alles wurde anders und blieb es für lange.

Seit knapp einem Monat ist es quasi vorbei - ich muss auf meinen Reisen zwischen Zürich, Bern und Basel Maske tragen, finde aber immer mehr Kunden und Mitarbeiter in den Büros. Noch erlebe ich die Stimmungen in den Städten unterschiedlich: Die Zürcher verabschiedeten Corona mehrheitlich am Montagmorgen vor drei Wochen, in Bern herrscht noch grosse Panik, in Basel sehe ich beinahe ein Grabenkampf wie früher zwischen Klein- und Grossbasel. Als Verkäufer mit Fähigkeitsausweis konnte und kann ich die Erleichterung nachfühlen, die das Personal nach 16 Monaten gefilterter Luft und beschränkter Kommunkation erlebt - habe ich doch selbst noch immer Mühe damit, maskierten Menschen einzuschätzen und in meinem Filter nach „harmlos“ und „gehe ich aus dem Wege“ zu bewerten. Ein Verkaufsgespräch? Unvorstellbar. Zumindest für mich.

Das Plakat in Brugg begegnete mir auf einer meiner Reisen und ich fand es derart absurd, dass ich es mit meiner Kamera besuche. Damit's bald wieder ist wie's war.

Unsere Lieferketten sind noch lange nachhaltig durcheinander, an unsere neue Arbeitsweise müssen wir uns gewöhnen, die Personenfreizügigkeit steht auf wackeligen Füssen. Die Energiepreise explodieren, die Inflation rennt wie wild, unsere Mieten werden bald steigen und wir Ende Jahr hitzigen Lohndisussionen führen müssen. Wir sehen bald eine verlorene Generation in den Betrieben auftauchen, die Psychologen und Psychiater haben ellenlange Wartelisten, kaum jemand fühlt sich derzeit wohl in seiner Arbeitsstelle und alle Menschen in meinem Umfeld (inklusive mir selbst) sind mindestens 10 Jahre älter geworden. In Europa ist Krieg, der eiserne Vorhang wird gerade wieder aufgebaut, der rote Knopf war in den letzten 60 Jahren nie so nah bei den Grossen und Mächtigen wie jetzt.

Nein, 2019 war definitiv nicht so…

Fotoferien

Ferien sind ein schwieriges Thema für mich. Um die Policy meines Arbeitgebers zu befriedigen, reichte ich im letzten Oktober drei Wochen ein - der Zeitraum Ende Januar / Anfangs Februar war die letzten Jahre eine gute Zeit zum Abschalten, die letzte solche Zeit 2 Jahre her. Nur ist dieses Jahr alles anders, die bekannte bald-ist-ende-jahr-torschlusspanik zog sich bis zum 24. Dezember und legte am 3. Januar gleich wieder los. Drei Wochen vor und 6-8 Wochen nach „Ferien“ ist einfach Chaos und ich frage mich immer, ob es das überhaupt wert ist. Und da ich im Januar doch ziemlich angeschlagen war und es nicht schaffte, einen Ersatz für mich aufzutreiben, dümpelten mittendrinn Arbeitstage. Ja, ich hätte sie bleiben lassen können - aber dann nicht mehr in den Spiegel gucken oder vor meine Kunden treten können.

Nichtsdestotrotz legte ich mir ein Programm zurecht: Menschen im Studio. Statt in Zugbillette und Hotelzimmer investiere ich in Studiolicht, setze mich intensiv mit Lichtformern und deren Wirkung bei Portraits auseinander. Was machen Reflektoren, Schirmchen, Softboxen oder eine Beauty Dish mit dem Menschen vor meiner Kamera?

Ich schaffe gar eine ISO Reihe am Limmatquai mit beiden Kameras, stiefle Presets zusammen, die meinem Geschmack betreffend Rauschreduktion entsprechen. Zwischendrinn mache ich einen Vergleich unter den 50ern in meiner Vitrine, suche nach einem Weg, ordentliche Makrobilder zu machen und finde ihn in einen Umkehrring. Und ich realisiere eine Strecke mit Digiknipse und Film - ziemlich frappant, das „gleiche“ Bild in unterschiedlicher Technik vor mir zu sehen.

Aber nicht nur das Technische, auch das Menschliche findet seinen Platz. Ich spüre gut, dass ich so langsam lerne, Regie zu führen - ein grosser Teil dieses Prozesses sind wohl die Fotostrecken mit mir selbst. Wie soll man bzw. frau vor die Kamera stehen? Welche Posen haben welche Wirkung?

Irgendwann, in einer schlaflosen Nacht, blinzelt der Mond durch mein Fenster. Und ich bekomme eine Anfrage zu einem Foto aus meinem Archiv und einen spontanen Einsatz als Ersatz für eine Hochzeitsreportage - beides spannende Momente, die dann aber doch im Sand verlaufen.

Nein, Ferien zum Erholen waren es keine. Aber es war unglaublich lehrreich und hat so richtig Spass gemacht!


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