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Pleite

Ich war gerade im Liechtensteinischen unterwegs, als ich von der Insolvenz meines Lehrbetriebes hörte. Der Abendspaziergang kurz danach, vorbei an dem ausgeräuberten und versiegelten Laden voller Erinnerungen an meinen Einstieg ins Berufsleben, war ein ziemlicher Stich ins Herz. 105 Jahre war der Foto Bären eine Institution in Zürich, vor 30 Jahren machte ich meine Lehre da.

Am Samstag dem 24. Dezember 1988 stand ich an der Front und verlor meine kindlich-naive Sicht auf Weihnachten, dieses Jahr darf ich zum fünften mal den Heiligabend alleine in Zürich verbringen. Ich nutze den traditionellen Fotospaziergang, um mich mit den Gefühlen über diesen Untergang auseinanderzusetzen. Unterwegs mit der „Winterlinse“ aus dem Glattfelder in Winti, der Erinnerung an das letzte Minilab in Zürich beim Stauffacher, der Tasche aus dem Ganz im Rennweg und der Kamera aus dem Bären statte ich eben diesen Läden einen Besuch ab.

In den Konkurs gelaufen ist die FotoPro Gruppe - ein Konglomerat aus dem ehemaligen Ganz in Zürich, Ecker in Luzern, Schaich in Baden, Dany in Bern, Glattfelder in Winterthur und - etwas vergessen von der Presse - dem Bären.

Zwei grosse und traditionsreiche Fotogeschäfte in Zürich, der Ganz und der Bären, waren schon 1988 irgendwie speziell. Der Ganz war zumindest unter uns Lehrligen berüchtigt für seine direktive Führung, auch in den Jahren danach fühlte ich mich nie so richtig wohl in seinen Filialen, ganz besonders nicht am Rennweg. Als kurz nach meiner ersten Digiknipse der Bären von meinem ehemaligen Chef der Fotopro Gruppe verkauft wurde, so fragte ich mich schon, was eine Zusammenlegung dieser ehemaligen Konkurrenten bringen wird. Meine zweite Digiknipse kam trotz allem noch aus dem Bären, nicht viel später wurde der Laden umgebaut und seinen Brüdern angeglichen. Nach aussen hin schien das Konzept zu funktionieren, es gab ein jährliches Fotoschiff am Bürkliplatz, noch vor anderthalb Jahren bezog der Glattfelder ein neues Lokal.

Ich vermisste fortan aber die Auswahl in dem Laden, all die speziellen Dinge mussten erst bestellt werden. Eine Sonnenblende für ein 28-135? Während meiner Lehrzeit griff ich in eine Schublade und legte sie dem Kunden hin, kurz vor meiner ersten Reise nach Brno musste ich zwei Wochen warten. Auch war die nette blonde Verkäuferin, die in meiner Lehrzeit schon zum Inventar gehörte und mir vor 10 Jahren zwei für einen Film verkaufte, einfach verschwunden. Genauso wie der nerdige Verkäufer, mit dem ich ganz viel Spass beim Kauf meiner grossen Digiknipse hatte.

Ueber die Monate wurde Neuwahre nur noch zum höchsten je geforderten Listenpreis beschildert, die Occasionen zu exorbitanten Preisen angeboten. Vielleicht war es der verzweifelte Versuch des Inhabers, irgendwie den Laden über Wasser zu halten - vielleicht aber auch Kalkül, den Lagerwert möglichst hoch zu bewerten, um die Läden wie den Leica-Store teuer zu verscherbeln? Ich traue ihm - auch wenn ich ihn nicht persönlich kenne - ein solches Handeln zu. Erzählungen aus meiner Lehrzeit, die Uniformiertheit der Filialen und die Politik der ganzen Gruppe über die letzten Jahre geben mir kein gutes Bauchgefühl. Die Eurokrise, die Handies und die Ladenmieten mögen gute Ausreden sein, weshalb es „plötzlich“ fertig ist - es kann aber auch der Versuch sein, Fehlentscheidungen über das letzte Jahrzehnt und persönliche Habgier zu überdecken.

Ich gehe davon aus, dass vor allem auf dem Platz Zürich sich noch der eine oder andere Lieferant schadlos hielt und zwischen Ankündigung und Versiegelung das Warenlager für den Weihnachtsverkauf in einer dunklen Nacht in einen Kofferraum packte. Es fehlen die Kameras und Objektive der renomierten Marken, der Hama und Cewe Vertreter waren wohl zu langsam. Auch wenn im Graubereich der Gesetze, so durfte auch ich eine solche Aktion vor vielen Jahren miterleben - ein kleines Geschenk des alten Chefs an seine Lieferanten, eine Möglichkeit, in späteren Jahren noch einmal von Null her zu beginnen.

Für die Leute, die so schlagartig ihren Arbeitsplatz verlassen mussten, dass gar eine Kaffeetasse auf dem Tresen stehenblieb, habe ich viel Mitgefühl. Kurz vor dem Weihnachtsgeschäft, der Hölle auf Erden, aber auch dem 13. Monatslohn, ohne Job auf der Strasse zu stehen und gleichzeitig mit knapp 90 anderen um die wenigen freien Stellen zu buhlen, ist noch viel schlimmer, als sich von der einkaufswütigen Menge auszusetzen. Ich wünsche jedem von ihnen einen Platz, an dem sie sich wohlfühlen und irgendwann mit dem Erlebnis abschliessen können.

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