2018 dürfte als einer der wärmeren und wohl trockensten Sommer in die Geschichte eingehen. Im Frühling war eine Freundin krank, ich schickte ihr über diese Zeit täglich eine Blume aus meinem Handy. Während sie schnell wieder gesund wurde, verwandelte ich die Aktion in ein Fotoprojekt, packte für mehr als ein halbes Jahr täglich ein Blümchen ein. 260 sind es geworden, die wohl längste, unprofessionellste, herausforderndste und gleichzeitig spannendste Strecke, die ich je gemacht habe. Und gleichzeitig ein wundervolles Dokument dieses ewigen Sommers
Es ist wie Pokern, das mit dem Nebel über Zürich. Manchmal linst die Kuppe des Üetlibergs darüber, manchmal ist sie darunter, manchmal steckt sie mitten drinn.
Die Wettervorhersage meinte darüber, ich finde mich jedoch mitten in der Suppe wieder. Sie geht noch mindestens 50m höher - zu viel, als dass sich das in der Zeit ändern mag, in der meine Finger noch nicht tiefgefroren sind. Ich packe dennoch die Kamera aus, wäre ja schade, sie vergebens auf den Berg geschleppt zu haben.
Ich war gerade im Liechtensteinischen unterwegs, als ich von der Insolvenz meines Lehrbetriebes hörte. Der Abendspaziergang kurz danach, vorbei an dem ausgeräuberten und versiegelten Laden voller Erinnerungen an meinen Einstieg ins Berufsleben, war ein ziemlicher Stich ins Herz. 105 Jahre war der Foto Bären eine Institution in Zürich, vor 30 Jahren machte ich meine Lehre da.
Am Samstag dem 24. Dezember 1988 stand ich an der Front und verlor meine kindlich-naive Sicht auf Weihnachten, dieses Jahr darf ich zum fünften mal den Heiligabend alleine in Zürich verbringen. Ich nutze den traditionellen Fotospaziergang, um mich mit den Gefühlen über diesen Untergang auseinanderzusetzen. Unterwegs mit der „Winterlinse“ aus dem Glattfelder in Winti, der Erinnerung an das letzte Minilab in Zürich beim Stauffacher, der Tasche aus dem Ganz im Rennweg und der Kamera aus dem Bären statte ich eben diesen Läden einen Besuch ab.
In den Konkurs gelaufen ist die FotoPro Gruppe - ein Konglomerat aus dem ehemaligen Ganz in Zürich, Ecker in Luzern, Schaich in Baden, Dany in Bern, Glattfelder in Winterthur und - etwas vergessen von der Presse - dem Bären.
Zwei grosse und traditionsreiche Fotogeschäfte in Zürich, der Ganz und der Bären, waren schon 1988 irgendwie speziell. Der Ganz war zumindest unter uns Lehrligen berüchtigt für seine direktive Führung, auch in den Jahren danach fühlte ich mich nie so richtig wohl in seinen Filialen, ganz besonders nicht am Rennweg. Als kurz nach meiner ersten Digiknipse der Bären von meinem ehemaligen Chef der Fotopro Gruppe verkauft wurde, so fragte ich mich schon, was eine Zusammenlegung dieser ehemaligen Konkurrenten bringen wird. Meine zweite Digiknipse kam trotz allem noch aus dem Bären, nicht viel später wurde der Laden umgebaut und seinen Brüdern angeglichen. Nach aussen hin schien das Konzept zu funktionieren, es gab ein jährliches Fotoschiff am Bürkliplatz, noch vor anderthalb Jahren bezog der Glattfelder ein neues Lokal.
Ich vermisste fortan aber die Auswahl in dem Laden, all die speziellen Dinge mussten erst bestellt werden. Eine Sonnenblende für ein 28-135? Während meiner Lehrzeit griff ich in eine Schublade und legte sie dem Kunden hin, kurz vor meiner ersten Reise nach Brno musste ich zwei Wochen warten. Auch war die nette blonde Verkäuferin, die in meiner Lehrzeit schon zum Inventar gehörte und mir vor 10 Jahren zwei für einen Film verkaufte, einfach verschwunden. Genauso wie der nerdige Verkäufer, mit dem ich ganz viel Spass beim Kauf meiner grossen Digiknipse hatte.
Ueber die Monate wurde Neuwahre nur noch zum höchsten je geforderten Listenpreis beschildert, die Occasionen zu exorbitanten Preisen angeboten. Vielleicht war es der verzweifelte Versuch des Inhabers, irgendwie den Laden über Wasser zu halten - vielleicht aber auch Kalkül, den Lagerwert möglichst hoch zu bewerten, um die Läden wie den Leica-Store teuer zu verscherbeln? Ich traue ihm - auch wenn ich ihn nicht persönlich kenne - ein solches Handeln zu. Erzählungen aus meiner Lehrzeit, die Uniformiertheit der Filialen und die Politik der ganzen Gruppe über die letzten Jahre geben mir kein gutes Bauchgefühl. Die Eurokrise, die Handies und die Ladenmieten mögen gute Ausreden sein, weshalb es „plötzlich“ fertig ist - es kann aber auch der Versuch sein, Fehlentscheidungen über das letzte Jahrzehnt und persönliche Habgier zu überdecken.
Ich gehe davon aus, dass vor allem auf dem Platz Zürich sich noch der eine oder andere Lieferant schadlos hielt und zwischen Ankündigung und Versiegelung das Warenlager für den Weihnachtsverkauf in einer dunklen Nacht in einen Kofferraum packte. Es fehlen die Kameras und Objektive der renomierten Marken, der Hama und Cewe Vertreter waren wohl zu langsam. Auch wenn im Graubereich der Gesetze, so durfte auch ich eine solche Aktion vor vielen Jahren miterleben - ein kleines Geschenk des alten Chefs an seine Lieferanten, eine Möglichkeit, in späteren Jahren noch einmal von Null her zu beginnen.
Für die Leute, die so schlagartig ihren Arbeitsplatz verlassen mussten, dass gar eine Kaffeetasse auf dem Tresen stehenblieb, habe ich viel Mitgefühl. Kurz vor dem Weihnachtsgeschäft, der Hölle auf Erden, aber auch dem 13. Monatslohn, ohne Job auf der Strasse zu stehen und gleichzeitig mit knapp 90 anderen um die wenigen freien Stellen zu buhlen, ist noch viel schlimmer, als sich von der einkaufswütigen Menge auszusetzen. Ich wünsche jedem von ihnen einen Platz, an dem sie sich wohlfühlen und irgendwann mit dem Erlebnis abschliessen können.
Samstag mit Vollmond mitten im Dezember - perfekte Ausgangsbedingungen für schicke Fotos bzw. deren Versuch - doch es schifft wie hohl. Ich entscheide mich dazu, meine Stadtwohnung in ein improvisiertes Studio umzubauen (selbst mein Wasserkocher muss als Behelfsstativ hinhalten) und stelle mich in Ermangelung eines passenden Modells gleich selbst vor die Kamera. Das Spiel mit dem Licht ist eine Herausforderung, mit der ich noch immer regelmässig kämpfe und ein wenig mehr Gefühl für meine Portraitlinse kann auch nicht schaden.
Ein Mordsspass und wie schon die letzten Male ein interessanter Selbstversuch. Tags darauf habe ich einen kräftigen Muskelkater - hätte nie gedacht, dass Modeln so anstrengend ist
Es ist wieder einmal Reisetag. Im Morgengrauen erblickte ich bereits Schnee vor dem Fenster und brauche einen zweiten Kaffee, bevor ich mich aus dem Haus traue. Danach geniesse ich meinen Weg am Rheinfall vorbei und über die Panoramabahn beinahe rund um Stuttgart, ich gönne mir eine Hand voll lausiger Bilder durch die Zugscheibe. Irgendwie ist die DB herzlich wenig interessiert an der Direktverbindung Zürich-Stuttgart, so stellt aktuell die SBB die Wagen und die OeBB die Lokomotive.
Wirklich eingepackt habe ich meine Kamera für Stuttgart 21 bzw. die Baustelle, die das einmal werden soll. In der Abstimmung 2011 hiess es die Eröffnung wäre 2019, prompt wurde auch 2013 Teile der Bahnsteige abgebrochen und ich konnte 2015 in ein grosses Loch blicken. Das Loch ist bis auf ein paar Fundamentierungen, eine Säule im Rohbau und ein paar Schalungen noch ziemlich gleich und ich vermute einmal einfach so, dass auch der aktuelle Termin 2025 knapp werden könnte. Aber ich lasse mich gerne überraschen
Die Fussabdrücke in der Unterführung im HB machen mich neugierig. Eine Tafel daneben beschreibt sie als Bewilligungsfreie Promotionsplätze und erklärt in vielen Paragraphen die Benutzungsrichtlinien. 20 Minuten darf man da maximal sein, es muss irgendwie nichtkommerziell sein und maximal zwei Personen dürfen da stehen. In den darauffolgenden Tagen finde ich ähnliche Plätze in Bern und Basel.
Ueblicherweise sind sie wohl von Unterschriftensammlern und Bibelverteilern besetzt, was meine Kreativität noch mehr anfeuert. Irgendetwas Schräges muss man mit dem Platz doch machen können - vielleicht eine „Free Hugs“ Aktion?