Dass 2020 ein verrücktes Jahr werden wird, war mir schon zu Beginn klar - ab Mitte Jahr startet mein Fotokurs und wird einiges in meinem Leben umkrempeln. Dass auch die erste Hälfte so verrückt werden wird, war nicht geplant und ich denke, es ist Zeit, einen kleinen Halbjahresrückblick zu machen. Die zweite Jahreshälfte steht an und ich werde nach 5 Jahren (gezwungenermassen) wieder Adobe Kunde, möchte bis dahin die ersten 6 Monate ins Archiv schieben und mit einem „leeren Tisch“ beginnen können.
Im Januar hatte ich etwas Ferien, baute die Tage ab, die noch vom letzten Jahr übrig waren. Geplant war ein Abstecher nach Brno and die DevConf, doch waren die Tickets bereits weg, als ich nach einem halben Tag zu buchen versuchte. Letztendlich war das gar nicht so verkehrt, ich war von einer ziemlich hässlichen Erkältung (Corona?) zwei Wochen platt und nutze die Tage, die ich nicht im Osten war, um gesund zu werden. Mit Nala gab es einen Zoobesuch inmitten des Winters, bei dem ich ein paar Otterbilder für unseren CEO einpackte. Danach gab es eine kleine Reise nach Brüssel (mit einem Besuch des Atomiums), Frankfurt (noch einmal im Zoo) und München im Wissen, dass es wohl die letzte sein wird, bevor ich meine Schule durch habe.
Der Februar war dann mit einem grossen Update meines Notebooks verplant - von El Capitan nach Catalina. Der damit verbundene Upgrade von digikam blockierte mich doch ziemlich und ich liess die Reisebilder erst einmal liegen.
Kaum war der Upgrade durch, verabschiedete sich innert zwei Wochen mein Notebook und mein Handy. Meine erste Reaktion natürlich „häh?“ - als dann wenige Stunden nach dem Neukauf eines Handies die Geschäfte zu gingen, wusste ich, dass da „etwas“ für mich gesorgt hat. Ich sollte die nächsten sicher vier Monate im Home Office verbringen und ordentliches Arbeitswerkzeuges haben.
Mitte März bis Mitte April waren gefüllt mit Umkrempeln meiner Kundenprojekte und der Unterstützen unserer Verkäufer in der Aquise. Es war eine schwierige Zeit, gefüllt mit Confcalls, Telefonaten und vielen Pausen dazwischen - 10-14 Stunden Tage, um wenigstens meine geforderten acht bringen zu können. Zur Entspannung (und Verbesserung meiner Arbeitsbedingungen) baute ich meinen Internetzugang auf OpenWRT um und „spielte“ mit dem Darknet.
Ende März machte ich einen Rundgang durch die beinahe ausgestorbene Langstrasse und fing ein paar Impressionen ein. Einer der wenigen Spaziergänge in dieser Zeit.
Mitte April bis Mitte Mai war dann „ordentlich etwas los“. Nebst neuen Projekten, die mich sicher bis Mitte Jahr begleiten werden, machte ich auch eine Schulung und hatte erneut 10-12 Stunden Tage - dieses mal aber gab es Ueberzeit, welche mir später in diesem Jahr sicherlich zugute kommen wird.
Die blühenden Kirschbäume und den jährlichen Pinhole Day liess ich mir nicht nehmen, genauso beschäftigte ich mich mit gehypter Fotosoftware.
Mitte Mai bis Mitte Juni kamen draussen dann so langsam Lockerungen des Lockdowns, während das Home Office mit all seinen Herausforderungen weiterlief. Schlechter Schlaf, Migräne, depressive Stimmung - das ganze Programm begleitete mich.
Immerhin, die Läden waren nun wieder offen und ich konnte mir einen neuen Fotodrucker und ein ordentliches Stativ besorgen. Letzteres hatte seine Feuertaufe bei der Night of Light.
Ich hatte in diesen Monaten oft den Satz „Entschleunigung“ gehört und erlebte mein eigenes Leben als pures Chaos. Jedes Gespräch muss geplant werden, jeder Austausch mit Kunden, Mitarbeitern und Lieferanten ist mit einem grossen organisatorischen Aufwand verbunden. Auch wenn mein Ueberzeitkonto mittlerweile fast 4 Wochen im Plus ist, so ist dies nur ein Teil dessen, was ich an Zeit aufwenden musste. Ich fühle mich an die Jahre erinnert, in denen ich 4-5 Stunden Arbeitsweg hatte, der Aufwand, den ich aktuell für meinen Job treiben muss, ist ganz ähnlich.
Viele der Dinge, die mir wichtig sind, waren schlagartig weg und ich fand nur wenig Entspannung. Und gerade in den Wochen mit ausschliesslich Home Office war ich auch Abends nur noch am Computer, nicht mehr in der Lage, mich zu einem Abendspaziergang aufzuraffen. Mit etwas Glück schaffte ich es, meinen Vorratsschrank gefüllt zu halten.
Gucke ich in meinen Bekanntenkreis, so geht es mir noch vergleichsweise gut: Ich war arbeitsfähig und bin am Leben - sah ich doch zwei Trennungen, drei psychische Zusammenbrüche mit Arbeitsunfähigkeit, ein Selbstmord und ein Hirnschlag. Und bewege ich mich draussen, so sehe ich den grossen Graben, den die Bevölkerung aktuell trennt. Da sind diejenigen, die ein normales Leben führen und diejenigen, die noch immer im Panikmodus sind, sich vor der zweiten Welle fürchten. Beobachte ich den Wunsch nach Ueberwachung (Stichwort „Tracing“), so sehe ich einen Umbruch, der mindestens so heftig sein wird wie das, was wir nach 9/11 erlebt haben.
Der Preis, den wir alle bezahlen, ist hoch.
Für die zweite Hälfte des Jahre heisst es jetzt eine neue Normalität finden, mein Leben wieder auf die Reihe bekommen. Eben bin ich zurück von der Abschlussausstellung meiner Vorgangsklasse, blätterte (mit Mundschutz und Gummihandschuhen *grusel*) in deren Portfolios. In einem Jahr sollte ich am selben Ort stehen und Euch ein paar Einblicke in meine Arbeiten geben können. Ich hoffe, dass zumindest diese Zeit etwas ordentlicher abläuft - mit geruhsamer rechne ich auf jeden Fall nicht, aber wenigstens etwas planbarer und motivierender als das, was gerade hinter mir liegt.
Seit meinem Vorsatz Anfangs Jahr ist viel passiert, so ganz nebenbei ist die Welt aus den Fugen geraten. Nach ein paar Tagen Ferien im Januar/Februar wurde ich Anfangs März ins Home Office verdonnert und versuche da, mehr schlecht als recht zu überleben. Meine Kunden hatten anfänglich grosse Herausforderungen mit dem Lockdown, mittlerweile bin ich bis unters Dach beschäftigt. Wie war das mit der Entschleunigung dieser Tage? Pustekuchen, davon merke ich gar nichts.
Entsprechend fehlt mir auch die Musse, mit der Kamera herauszugehen und noch viel mehr, die bei den spärlichen Spaziergängen entstandenen Bilder für meine Galerie aufzubereiten. Ich sitze schon so den ganzen Tag auf meinem Bänkchen vor dem Computer und werde „danach“ wohl einen krummen Rücken haben. Und ich weiss, dass meine zynischen Kommentare zu einigen meiner Bilder Lesern hier unangenehm aufstossen könnten - da halte ich mich besser zurück.
Viele meiner neuen Projekte bedingten Einarbeitung, so beschäftigte ich mich unlängst mit den aktuellen Best Practises von x509 Zertifikaten. Dabei stolperte über einen Hinweis, dass einige Firmen es geschafft hätten, solche für *.onion
Namen zu bekommen. Da war doch etwas. Vielleicht während meinem Besuch der FOSDEM Anfangs Jahr? Richtig. Tor. Ich hatte das ja mal probiert, als es noch ein Java Dings und fürchterlich langsam war. Mittlerweile gibt es ein schickes Paket aus Firefox, integriertem Proxy und einer Hand voll Extensions, die einem das Verstecktsein im Netz erleichtern sollen. Ich spielte ein wenig damit herum, fragte mich nach Einsatzszenarien und legte es wieder beiseite.
Wäre es nicht nett, mit meiner Galerie etwas Farbe ins Darknet zu bringen? - mit dem Gedanken erwachte ich am Samstagmorgen. Mir war sofort klar, dass dort ein dunkles Design hin muss und Javascript oder Cookies pfui sind. Mein DokuWiki Renderer aus den Spielereien für altmodische Geräte erlebte eine neue Inkarnation, ich machte mehr schlecht als recht Webdesign, der Apache und Onion Service waren auch rasch aufgesetzt und so bin ich - es ist Sonntagabend - stolzer Besitzer einer solchen Website:
http://qot5cujboehmlu3xn64pkfg6ogrtduhjbywynn37lqtnevpxqouryiid.onion/
Keine Ahnung, wie man sich so einen Namen merken soll. Aber Ihr könnt ihn auch einfach klicken - sofern Ihr Euch in diese dunklen Gefilde verirren mögt
Und *schwupp* sind wir in den 20er Jahren! Das obligatorische Anpassen der EXIF Infos meiner Kamera steht an, ein paar Gedanken zum neuen Jahr (Jahrzehnt) können nicht schaden. Mir fällt beim Fummeln an der Kamera auf, dass wir seit 2012 das erste Jahr ohne komplett unterschiedliche Zahlen haben - das dauert jetzt bis 2031, bis wir das wieder bekommen
Ich habe mitten im Einkaufsstress ein paar Rämchen erworben, die Aktion schöner Wohnen will weitergeführt werden. Ein schickes Motiv für meinen Neujahrsvorsatz: Etwas mehr Bilder machen, als dass die letzten vier Jahre der Fall war. Irgendwie haben die beiden Jobwechsel ihren Tribut gefordert - waren doch beides Stellen, in denen ich nach der Probezeit noch lange keinen Plan hatte, was eigentlich mein Job ist. Und beide bringen mich nicht so sehr auf die Reise, wie das meine knapp 10 Jahre HPC getan haben.
Meine Bewerbung ist auf jeden Fall schon einmal unterwegs, bald kommt ein Vorstellungstermin, in dem ich zeigen muss, ob ich geeignet bin *bibber* Die nötigen Ferien sind auch schon eingefädelt - wenn alles nichts wird, muss ich wohl oder übel selbst etwas unternehmen
Der grosse Rummel ist vorbei, die Stadt wird ruhig und ich mache meinen traditionellen Abendspaziergang mit Christbaumkugelselfie. Mittlerweile ist es gar nicht mehr so einfach, die Läden, Restaurants, ja die Stadt selbst packt Weihnachten am 24. um 16:00 ein, um allfälligen Vandalen keine Chance zu bieten. Trotz allem finde ich auf meinem Weg noch eine Kugel - patschnass wie ich selbst. Das Jahr geht bald zuende, Zeit für einen Rückblick.
Fotografisch war es für die Tonne, viel zu sehr war ich in meinem Job eingespannt, als dass ich ordentlich Zeit und Musse für ordentliche Fotospaziergänge gefunden hätte. Immerhin fand dann und wann eine Strecke in meine Galerie und ich habe in meinen schlappen Abenden viel gelesen und gelernt.
Jobmässig habe ich die Erkenntnis gewonnen, was mir wichtig ist - Menschen ein Werkzeug zu geben, mit dem sie ihren Job (besser) erledigen können. Das kam in diesem Jahr zu kurz, das Ding, mit dem ich mich primär auseinandersetzen musste, kann ich nicht als Werkzeug sehen.
Auf der anderen Wagschale liegt ein soziales Netz, das sich über die letzten Jahre seit meinem schleichenden Umzug nach Zürich langsam formt. Ich habe das erste Mal das Gefühl, zu Menschen Kontakte zu pflegen, weil ich sie toll finde - nicht weil ich verwandt mit ihnen bin, mit ihnen in die Schule gehe, arbeite oder sonstwie eine Abhängigkeit besitze. Es fühlt sich gut an.
Noch ein gutes Jahr und ich werde 50. Abgesehen davon, dass das so richtig alt ist (mit grauen Haaren und Gleitsichtbrille) habe ich auch das Gefühl, noch einmal etwas verrücktes, etwas komplett anderes tun zu wollen. Sabattical? Schwierig, das kriegt man üblicherweise nach langer Zeit bei einer Firma, meine beiden Jobwechsel in den letzten drei Jahren verhindern solches. Grosse Ferien? Auch schwierig, im Gegensatz zu früher muss ich meine Ferien jeweils per Ende Jahr abgebaut haben oder aber sie landen auf dem Lohnzettel. Zudem habe ich das dumpfe Gefühl, meine beste Reise schon gemacht zu haben. Etwas lernen? Die Idee hatte ich schon Ende 2012, habe sie aber zugunsten einer befristeten Wohnung zurückgestellt.
Mit solchen Gedanken im Kopf laufe ich eines Abends im Juli im Stadelhofen an obigen Steller vorbei. Ein längerer Surfabend, die Erkenntnis, dass das Programm passen würde, die Verteilung über ein Jahr nicht ganz dem entspricht, was ich mir vorstellen würde. Ich vertage weitere Entscheidungen auf den Abend, an dem ich die Leute persönlich kennenlernen kann.
Und dieser ist jetzt, Ende November. Zwei Stunden tummle ich mich in dem Studio, höre einen längeren Vortrag, spreche mit den Lehrern und potentiellen Mitschülern - ja, das könnte passen. Jetzt heisst es Abklären, ob die Kosten und die Zeit drinn liegen. Ich bin gespannt!
Gleitsichtbrille. Wie graue Haare für viele Frauen der wahre Horror sind (und sie es, bis sie alt und schrumpelig sind, mit Farbe zu vertuschen versuchen), ist der Verlust der Fähigkeit, in der Nähe scharf zu sehen, für mich ein Zeichen des Altwerdens. Gruselig! Aber da muss ich jetzt durch, das Leben ist kein Ponyhof.
Ich beschäftige mich den Sommer über mit der Natur und dem Umgang mit solchen Gläsern. Gehe Dingen nach wie sphärische und chromatische Aberration und unserer Fähigkeit - im Gegensatz zu Film und CMOS Sensor - solche Fehler zu korrigieren. Verfolge aber auch praktische Fragen, ob man damit beispielsweise fotografieren kann und wie weit sich damit das Sichtfeld - und damit meine Fähigkeit, Dinge in meiner Umgebung zu entdecken - eingeschränkt wird. Oder - noch praktischer - welcher Optiker in Zürich die breiteste Auswahl an Glas hat. Lange Jahre war ich Zeiss Träger (was für meine Kamera gut ist, kann ja auch für meine Augen OK sein), die letzten Gläser waren von Rodenstock (extrem dünn, asphärisch geschliffen - ich brauchte drei Monate, bis die Welt wieder gerade und eckig war).
Mit diesem Hintergrundwissen nutzte ich einen Freitag im September und liess mich ausmessen. Die Beschreibung, wofür man seine Augen typischerweise benutzt, hilft den Optikern, aus dem Wust an Optionen die passenden zu suchen. Selbst meine Kamera begleitete mich mit dem Hintergedanken, am Schluss auch etwas durch den Sucher zu sehen.
Die aktuellen Metallgestelle sind allesamt sehr filigran und kaum geeignet, meine -10 Dioptrien Korrektur langfristig am Platz zu halten, Plastik kommt für mich nicht in Frage und so endete ich bei Horn. Das finale Gestell musste aus vier separaten zusammengefrankensteint werden: Vom einen die Form (ziemlich rund, aber nicht perfekt kreisförming), vom anderen die Nasenbreite (mein Zinken ist mit 18mm sehr schmal), vom dritten die Bügellänge und vom vierten die Farbe. Mitte Oktober war das Gestell bereit und Zeit, die Gläser auszumessen - auch diese werden per CNC Fräsen passend zugeschliffen. Noch einmal zwei Wochen später ist alles bereit und ich sehe meine Umwelt wieder scharf.
Die Brille ist von einem grossen Paket begleitet, darin das Foto, auf dessen Basis die Gläser eingepasst wurden. Irgendwie gruselig, irgendwie faszinierend - aber auf jeden Fall eine gute Erinnerung an diese Phase in meinem Leben.