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WWPD

Es ist wieder einmal letzter Sonntag im April, Pinhole Day! Mein Aufruf unter Mitschülern, etwas „neben“ der Schule zu machen, blieb weitgehendst ungehört (ich habe einen einzigen Mitstreiter) und so ziehe ich ganz traditionell mein eigenes Ding durch.

Inspirieren lasse ich mich von der Helvetia in Basel, mangels Fluss muss die Autobahn hinhalten. Der Blick nach Bern, der uns schon seit mehr als einem Jahr begleitet, bietet die Story für das Bild. Ich nutze (missbrauche?) die endlose Schärfentiefe und die notwendig langen Belichtungszeiten fürs Bild - etwas, was ich mit den Linsen aus Glas immer weniger habe :-)

Die Juri (zugegebenermassen auch ich) braucht dieses Jahr etwas länger, aber ich habe erneut einen Platz in der Galerie bekommen *froi*

Adrenalin

Ein unglaublich intensiver März liegt hinter mir. Unsere Schulwoche Menschenbildnis «experimentelle, Umsetzungen» wurde verschoben - trotzdem musste sie im Home Studio stattfinden, da kein Präsenzunterricht in der Erwachsenenbildung erlaubt ist. Ich hatte schon im letzten Dezember damit gerechnet, viel mit meinen potentiellen Modellen Ideen gesammelt, experimentiert und ein Feuerwerk an Schabernack treiben können, den ich mir im Studio, mitten im Schulbetrieb, nie erlaubt hätte.

Jetzt ist es mal wieder Zeit, ein allgemeines Update meines Notebooks und meiner Kamera zu machen. In Kürze kommt die Intensivwoche - statt im Bündnerland in Schwyz, unter Einhaltung von Schutzkonzepten und kreativen Ideen.

Dörfli

Es ist Lockdown 2.0. Seit Anfangs Dezember herrscht Abends zwinglianische Ruhe in Zürich, seit Weihnachten ist eh alles zu. Wie schon im letzten Frühjahr mache ich mich auf, einen typischen Freitagabend in Zürich einzufangen.

Die Stimmung ist gruselig. Nach diversen Ausschreitungen um den Bahnhof Stadelhofen ist alles verrammelt, im Niederdorf finden sich ausschliesslich Grüppchen von Anfangszwanzigern, welche mit viel Alkohol und Testosteron eine unglaublich aggressive Stimmung verbreiten. Ich werde mehrfach angesprochen, angemacht und verbal angegriffen, wenigstens bleiben körperliche Angriffe aus - es war eine gute Idee, in Jeans und T-Shirt auf die Strasse zu gehen. Die Kamera versorge ich so gut es geht unter der Jacke und fange Impressionen nur da ein, wo mich niemand beobachtet.

Das letzte mal hatte ich dieses Gefühl in Manhattan, etwa ab der 140st Strasse nordwärts, als mich zwei Dutzend dunkle Augepaare plötzlich musterten. Es in „meiner“ Stadt zu haben stimmt mich nachdenklich, traurig und wütend.

Vor einem Jahr ging ich nach meinem bisher letzten Tanzabend zur selben Zeit denselben Weg. Es herrschte Leben, die Menschen waren auf den Strassen, genossen den Abend. Ein wildes Mischmasch, von Glatzköpfen bis zu Regenbogenmenschen, welche zwar feierten, aber sich auch gegenseitig in Ruhe liessen, sich im Schach hielten. Ich erinnere mich gut an ein Päärchen, vielleicht gegen die 80, schick angezogen, sichtlich auf dem Heimweg von einem Konzert. Sie waren vielleicht etwas wackelig auf den Beinen, aber gut gelaunt und ohne Angst. Jetzt schützen wir sie zwar vor dem Virus, machen aber gleichzeitig ihr Leben kaputt.

Die Stapo schützt vor allem den Bahnhof, vielleicht 20 Polizisten tummeln in der Haupthalle, kümmert sich um Jugendliche ohne Masken. Ich gehe weiter zur Langstrasse, zurück in „mein“ Quartiert. Es ist rauh hier, aber das war es schon immer. Der 24-Stunden-Shop und ein paar Take Aways sorgen für grosse Menschentrauben, etwa 20, 30 Mädchen schaffen an und sehen in mir einen potentiellen Kunden. Aber irgendwie funktioniert hier (noch) die soziale Kontrolle, jeder weiss, was er darf und was er besser sein lässt - auch wenn das bei ganz vielen hier etwas anderes ist, als unsere Landesmütter und -väter sich ausgedacht haben.

Unboxing

Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt, dass ich dann und wann neue Firmware auf meine Kamera packen muss. Eine Linse zu flashen ist aber doch eine Premiere und entsprechend ein gruseliges Gefühl ;-)

Ich habe mich dabei erwischt, dass ich 2020 die Mehrheit meiner Bilder mit Festbrennweiten gemacht habe, das neuliche Wachstum an Kameraqualität hat das noch verstärkt. Meine Zooms wurden im Herbst schlagartig aus „prima“ ein „naja“ :-o Da bisher die fixen Linsen meist Ergänzung zu den Zooms waren, fehlte da etwas „normales“. Das 50er ist - seit ich mich erinnern mag - nie meine passende Brennweite geworden. Immer war da etwas zu wenig oder zu viel auf dem Bild. Gegen das „zu viel“ hilft wunderbar das 85er, welches mittlerweile den Status „Lieblingslinse“ errungen hat. Gegen das „zu wenig“ müsste doch ein 35er helfen?

Schon im Oktober, als ich eine Woche in Biel Schule hatte, hiess es bringt ein 35er mit. Ich machte mich schlau, fand aber auch heraus, dass das Objekt meiner Begierde Aerger mit meiner neuen Kamera macht und schlug mich mit dem Standardzoom durch. Im Dezember dann Entwarnung, eine neue Firmware stehe bereit.

Wie es so kommt, hat aktuell selbst der weltweit grösste Linsenhersteller Lieferprobleme und so dauerte es weitere zwei Monate, bis ich durch die Hintertür in den letzten "normalen" Fotoladen in Zürich schlüpfen und das Ding abholen konnte. Es dürfte noch ein bisschen dauern, bis wir uns aneinander gewöhnt haben - ich weiss aber schon jetzt, dass dieser Flaschenboden das zweithäufigste Ding nach der Kamera wird, welches ich in meinen Rucksack packe.

Halbzeit

Es ist das Jahr, in dem ich 50 werde. Seit meinem Aufbruch vor 5 Jahren bin ich reichlich erfolglos auf der Suche nach einem guten Platz in der Informatik, der Ausflug in eine amerikanische Firma war lehrreich, aber ernüchternd, mein aktueller Job bisher geprägt von einem einzelnen Horrorprojekt und endlosem Home Office. Ich möchte etwas tun, was nicht mit meinem Job zu tun hat, etwas lernen, etwas erleben. Die Fotografie ist dabei ein guter Ansatz, begleitet sie mich so lange wie die Computerei und hat es doch nie geschafft, zentrales Teil meines Erwerbslebens zu werden.

Eine Weltreise? Mit dem Zug durch fünf Kontinente oder mit einem bunt bemalten VW-Bus nach Goa? Aus der Rücksicht war es gut, diese abstrusen Ideen beiseite gelassen zu haben, das mit dem Reisen ist doch ziemlich vom Tisch.

Ich wärmte eine Idee auf, eine Art Sabattical in Fotografie zu machen. Aehnliche Ideen hatte ich 2012, um zu lernen, dass die damalige ZHDK mich nicht wollte. Während ich solche Gedanken wälzte, purzelte ich im Stadelhofen über ein Plakat der CAP Fotoschule. Es brauchte etwas Engagement, um meine Chefs, meine Buchhalterin und den Lehrer in Spe zu überzeugen - seit dem 17. August 2020 stecke ich mitten in einem CAP Professional Lehrgang. Bis zur abschliessenden Ausstellung am 26./27. Juni 2021 haben wir 11 Wochen und 5 Einzeltage Schule, dazwischen einen Berg Hausaufgaben.

Meine Lehrer Dennis Savini, Remo Zehnder und Anita Vozza, unterstützt durch Philipp Dubs (Glasi Hergiswil) und Stefan Zürrer (Architekturprojekt), gegen sich unglaublich Mühe, uns 7 1/2 Schülern etwas ordentliches beizubringen. Bisweilen gar nicht so einfach, sind wir doch ein wilder Haufen von Individualisten mit Vorgeschichten und Zielen, die sich nicht grundlegender unterscheiden können ;-)

Ziemlich nach Plan verlief die Einführungswoche, das Available Light Thema (eigentlich Reportage, aber *psst*) und die Theorie zu Bildaufbau und Bildsprache. Dann brach das Corona Chaos aus, das Thema Menschenbildnis und Analoge und digitale Fotografie mussten bereits abgewechselt und zur Hälfte im Home Schooling durchgeführt werden, Architektur und Interieur und Bildkonzept und Bildpräsentation fanden komplett im Home Schooling statt. Ersteres ist gestreckt und wird mich bis Mitte März begleiten, um wenigstens ein bisschen persönliche Betreuung zu haben.

Der persönliche Austausch fehlt schmerzlich, meine Lehrer geben sich jedoch endlos Mühe, dass wir trotz allem ordentlich etwas lernen können. Der Aufwand ihrer- und unsererseits ist massiv angewachsen, oft steckt einer von ihnen im Studio und zeichnet einen Film auf, ich sitze an meinem Tisch und lese nächtelang bzw. gucke Filme. Trotz allem sind die Wochen unglaublich intensiv und gut, ich spüre, wie ich bisweilen aufblühe und Motivation finde. Auf jeden Fall gut investierte Ferientage ;-)

Dazwischen habe ich gar die Motivation zu „freie Arbeiten“ - gerade sind diese dasjenige, was ich hier zeige. Noch halte ich das, was wir in der Schule machen, für zu unordentlich und chaotisch, als dass ich regelmässig ein Work in Progress machen möchte.

Die zweite Hälfte dürfte noch etwas anspruchsvoller werden, sollen wir doch bis im Juni eine Woche ins Bündnerland (woran ich aktuell stark zweifle) und ein Portfolio zusammenstellen, welches unser Können zeigen soll. Wie es auch kommt, Ihr seid herzlich eingeladen, in die Ausstellung im Stadelhofen bzw. hier vorbeizukommen!

Objekt

Wir haben anderthalb Stunden Zeit, einem Objekt aus unserem Haushalt eine Bühne zu geben. Meine erste Wahl war mein Radio (mit dem Corona Life Stream meiner Mitarbeiter) - als nach dem Mittagessen noch die Restriktion „Hochformat“ und „frontal Blitzen mit Aufsteckblitz“ kommt, bleibt die Lampe auf dem Radio übrig ;-)

Ein schönes Sujet für den anstehenden runden Geburtstag. Er reiht sich ein in die Liste der vergangenen:

…einer netten Party zum letzten mal Teenie, Ausklang mit einer wunderschönen Walzerrunde mit meiner damaligen Tanzpartnerin…

…einem Tanzabend zum letzten mal Twen, welcher in einer bösen Krise endete…

…einer Idee zum meinem 40., die ich verbockte und letztendlich mit Fruchtsalat am Bahnhof Hinwil feierte…

Ich nahm mir damals vor, die 50 mit Menschen zu feiern, die mir etwas bedeuten. Es haben sich in den vergangenen 10 Jahren doch einige in mein Leben eingeschlichen - doch fehlt der Rahmen, die Möglichkeit zusammenzukommen und ein paar Stunden zu feiern. Mit bleibt nichts anderes übrig, als mit dem wichtigen Menschen in meinem Leben zu feiern - mir selbst. Es wird ein düsterer Tag werden und ich hoffe, nicht allzuviele Glückwünsche beantworten zu müssen.

Vielleicht kriege ich am 3. Februar 2031 eine weitere Chance?


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