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Vintage

Ende September schloss ich ein Jahr "Bild vom Tag" ab. Ich zermarterte mir lange den Kopf, wie ich weiterfahren soll - das „ob“, war keine Frage. Mir tut es einfach zu gut, jeden Tag eine Vollbremsung einzulegen und mir 5-15 Minuten Zeit für meine Leidenschaft zu nehmen. In einer schlaflosen Nacht kam die Idee, vom Super Takumar 3.5 35mm aus etwa Mitte der 60er zu einem Superzoom aus Mitte der 90er zu wechseln. Ich wurde kurz darauf in Lugano fündig: Eines der Tamron 28-200 von 1992, die wir damals im Schaufenster der Interdiscount Filiale im Shop Ville bestaunten, ist jetzt auf den kleinen Pfupf geschnallt. Mein Rucksack ist noch immer 1/2kg unter vor-Corona-Niveau, ich hoffe in einem Jahr wieder meine gewohnte Kondition zu finden :-?

Die frühen 90er waren eine spezielle Zeit. Die EU hatte sich formiert und wir träumten von Wohlstand für alle, der Ostblock war kollabiert und wir träumten vom Weltfrieden, Windows trat seinen Siegeszug an und wir träumten von einfachen Computern. Mir kommen neon Farben und der Geruch von Body Shop Badeperlen in den Sinn, wenn ich an diese Zeit denke. Wie alles Andere hatten auch die Superzooms ihre Fehler - sie waren ungemein praktisch, kombinierten sie doch zwei bis drei Linsen in einer, doch gab es auch massive Abstriche. Genau diese Abstriche möchte ich erkunden und gucken, was ich aus den Vorzügen machen kann.

Resiweiher

Völlig unerwartet bekam ich eine Fotoausrüstung in die Hand gedrückt, die 1987, in meinem ersten Lehrjahr, so etwas richtig Gutes war. Eine EOS 620, 35-70, 70-210, 24er. Der vormalige Besitzer war vor Jahren auf Handyfotografie umgestiegen und wünschte sich, dass sie jemandem Freude bereitet. Das 70-210er habe ich jetzt doppelt und werde es jemanden weitergeben, der Freude daran hat. Auf das 35-70er und das 24er bin ich gespannt, haben Vintage Linsen bisweilen einen ganz eigenen Charme, der mir (altem Mann!) durchaus zusagt. Die Kamera sieht äusserlich im Schuss aus (sogar der JCII Kleber glänzt am Prisma), ob sie wirklich tut, kann nur ein Testfilm zeigen.

Schon in meiner Lehrzeit hatte wir einen gewissen künstlerischen Anspruch, wenn wir Testfilme belichteten. Ich folge dieser Tradition und kombiniere es mit einem Ausflug zum Resiweiher. Er gehörte vor 140 Jahren zum Wasserkraftwerk Letten und bildete einen der ersten Pumpspeicherseen weltweit. Quasi Linth-Limmern im Kleinformat ;-) Und so kann ich - trotz Winterzeit mit frühem Eindunkeln - der ehemaligen Druckleitung folgen und ein paar Impressionen von der damaligen Kraftwerkzentrale einfangen.

Das Bildermachen mit der 35 Jahre alten Kamera ist „entschleunigend“, gerade in Kombination mit dem nicht ganz koscheren Superzoom aus 1992 kämpft der Autofokus bisweilen mächtig. Wenn er trifft, dann nahezu akkurat, die Kamera zeigt rund 2-3cm Front Fokus. Vielleicht nicht für Portraits mit Blende 1.4 oder 1.2 benutzen ;-) Das Entwickeln ist in einer Stunde erledigt (sofern man es einfach durchzieht und kein Making Of davon macht :-o ), die Negative sehen prima aus, korrekt belichtet und ohne Lichteinfall.

Vollmond

Es ist mitten in der Nacht. Ich habe vielleicht zwei, drei Stunden gedöst, jetzt bin ich hellwach. Mein Blick schweift nach draussen, ich werde geblendet. Soll ich mich verwandeln und laut AAUUUHHHH!! schreien? Ich lasse es bleiben und krame die Kamera hervor 8-)

Bei meinem ersten Kaffee die übliche Erkenntnis, das entweder die Wolken schwarz oder der Mond weiss daherkommt. Ich erinnere mich an die Diskussion um die Samsung Handy Kameras und klebe zwei passende Bilder zusammen. Nächstes Mal vielleicht gleich von Beginn weg ein HDR? *kopfkratz*

Botanik

Gut, es mag einer der wärmsten Oktober seit Gedenken sein, trotzdem finde ich meinen Wunsch nach ein paar Blümchen für die "neue" Makrolinse einfach nur absurd. Es ist schlicht die falsche Jahreszeit! Dann erinnere ich mich dumpf an einen Schulausflug in den neuen botanischen Garten, mein Archiv sagt August 1987. Da waren doch Häuser? Googeln bestätigt, es gibt da Gewächshäuser. Ich riskiers und nehme den Weg ans andere Ende der Stadt unter die Füsse.

Es wird zum wohl besten Sonntagnachmittag in diesem Jahr. Ich finde Blümchen, Bienchen und ein Fröschchen, geniesse die Sonne und freue mich wie ein kleines Kind ab den Bildern, die sich im Sucher zeigen.

Fotichäschtli

Der Laden könnte meinen finanziellen Ruin bedeuten. Ich gehe da nur hin, wenn ich ganz genau weiss, was ich haben möchte und ignoriere die umfangreiche und wohlsortiere Auslage. Dieses Mal ist mein Wunsch ein Canon FD nach RF Adapter, um die "neue" Makrolinse einsetzen zu können.

Zurück in meiner Stadtwohnung zelebriere ich das Unboxing, flansche Kamera und Linse zusammen und mache ein paar Testbilder. Der Adapter ist leichtgängig und sitzt, die unendlich Stellung passt haargenau, die Mechanik zum Schliessen der Blende flutscht und rastet. Die Chinesen lernen Engineering, ich sehe den Fortschritt zwischen dem 10 Jahre alten M42 nach EF, dem 3 Jahre alten Pentax K nach EF und dem aktuellen Adapter. Nicht mehr lange und China tritt in die Fusstapfen der Japaner :-o

Das Objektiv selbst ist einfach Hammer! Keine sichtbare Verzeichnung und Chromatische Aberration, offenblendig und auf Unendlich ist es etwas weich, ab Blende 8 tadellos. Im Nahbereich ist es selbst offenblendig prima. Ich freue mich riesig darüber, nach 11 Jahren wieder ein richtiges Makroobjektiv in meiner Vitrine zu haben!

Photoflohmarkt

Der alljährliche Photoflohmarkt zieht mich in die Postkartenidylle von Lichtensteig. Das Takumar vom letzten Jahr begleitet mich, einerseits für das Bild vom Tag, aber auch für ein paar Impressionen. Der alte Fotokrempel wird begleitet von einer unglaubliche Kakaphonie der unzähligen Drehorgeln, durchs malerische Dörfchen zieht der Geruch von Freiheit und Abenteuer Benzin und Oel.

Etwas Nahaufnahmezubehör ist der Gedanke in den Vortagen. Einen Balgen, eventuell ein Vari-Zwischenring? Das Universum hat wohl mitgehört und mich nicht wirklich verstanden (verständlich, ich denke nicht, dass Universen sich gross für Fotografie interessieren), so stolpere ich an einem gut assortierten Stand über ein Canon FD 4.0 100mm Makro. Erst genehmige ich mir eine Extrarunde zum Nachdenken: Der Nachfolger gilt als das schärfste EF Objektiv und ist bei den Portraitfotografen für die Abbildung von Poren, Häärchen und Falten verschrien, es könnte also eine richtig schicke Festbrennweite sein. Falls es das nicht ist, hätte ich sicher einen Platz bei den Vintage Linsen.

Die Linse sieht tadellos aus, Blende springt und ist nicht verölt, ich sehe weder Dellen noch Pilzchen. Wir werden handelseinig, mein Budget für den Tag reicht sogar noch für die traditionelle Bratwurst ;-)


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