Etwas spät und umso heisser erwartet kann ich mein Geburtstagsgeschenk an mich selbst auspacken.
Dieses mal begleiten mich ambivalente Gefühle beim Auspacken: Einerseits freue ich mich riesig - andererseits weiss ich auch, dass ich jetzt all die Dinge habe, die ich mir vor 35 Jahren gerne in die Fototasche gepackt hätte. Alles, was jetzt kommt, ist Ersatz und nicht mehr Ergänzung meines Fotokrempels. Aber ja, gross sein hat seine Vorteile, man kann sich Sachen kaufen, für die das Sackgeld eines 13-jährigen nicht reichten
Die Blumen spriessen, meine Nase juckt, mein Körper will zurück in den Winterschlaf. Der letztjährige Sommer ist nicht totzukriegen und drängt sich wieder hervor. Es ist Frühling an allen Ecken und Enden.
Ich muss mir dabei immer wieder sagen, dass es erst Februar ist…
Was fotografiesert Du so? ist eine der häufigste Fragen, die ich höre. Und eine, die mir selbst erstaunlich Mühe macht, zu beantworten Auch wenn es etwas ruhiger wurde, so ist das Einfangen von Eindrücken unterwegs wohl meine grösste Motivation. Begriffe wie Dokumentaitonsfotografie oder Streetphotography möchte ich dabei vermeiden, viel zu unsortiert und wenig zielgerichtet sind dabei meine Fotostrecken - ich packe einfach ein, was mich beschäftigt, erfreut oder nachdenklich stimmt.
Meist sind solche Bilder ohne Menschen. Ich habe erstaunlich Mühe damit, Menschen ins Gesicht zu fotografieren, ohne zuvor mit ihnen eine klare Abmachung zu haben.
Wenn ich in mein Archiv gucke, so gibt es genau eine Reise, an der ich tagsüber und abends erstaunlich viele Menschen in meine Bilder eingebaut habe. Was war damals anders? Vielleicht die 3500 Meilen Entfernung von meinem Zuhause? Oder die kleine Kamera, mit der ich 2010 unterwegs war? Oder ganz einfach „jugendliche Naivität“? Ich weiss es nicht genau und kann aufgrund der Gefühle, an die ich mich erinnern mag, irgendwie auf all diese Punkte zeigen.
Aber ja, wenn es draussen kalt und gruselig ist, stöbere ich nicht nur in meinem Archiv, sondern lese auch fleissig Ueber Klimawandel, Dust Bowl und die grosse Depression bin ich neulich auf ein Bild gestossen, dass Dorothea Lange 1936 von Florence Owens Thompson geschossen hat. Die unterschiedliche Beschreibung über die Entstehungsgeschichte hat mich fasziniert: Da ist einerseits die Fotografin, die ein Bild gemacht hat, das die Welt bewegte, aber auch das Modell, welches in einer gewissen Weise überrumpelt und letztendlich in seiner Integrität verletzt wurde.
An besagtem Tag in New York machte ich ein Bild eines Obdachlosen. Wir plauderten ein wenig, ich drückte im $10 in die Hand, wir machten zwei, drei Fotos - bis heute habe ich ein ungutes Gefühl, wenn ich an diese Bilder zurückdenke. Irgendwie begleitet mich immer der Eindruck, meine Position in der Lebensleiter über ihm missbraucht zu haben.
Draussen vor meiner Stadtwohnung wabert das Leben, seit meinem Umzug vor einem guten Jahr bin ich noch tiefer in den Kreis 4 gerutscht. Es hat schräge Menschen zuhauf, alltägliche Geschichten in „meinem“ Quartier sind definitiv nicht alltäglich. Da wurmt es mich manchmal schon, so viel Hemmungen zu haben, meine Kamera auszupacken.
Vielleicht bietet die diesjährige Streetparade wieder eine Möglichkeit zum Trainieren? Zum Ausloten, wo spontane Bilder von Menschen OK sind und wo nicht? Ich habe die eine oder andere vergangenen dazu benutzt - spätestens dann, wenn sich die ausgesuchten Modelle in Pose werfen, ist es alles OK. Auf jeden Fall steht der Termin schon einmal in meiner Agenda…
Es ist schon eine ganze Weile her, seit ich meine längsten Ferien meines Lebens gemacht habe. Der Turm, auf dem ich damals stand und auf Frankfurt blickte, gibt es genauso nicht mehr wie die Kamera, mit der ich dieses Bild machte - trotz allem sind und bleiben die Tage eine schöne Erinnerung.
Wie alle Jahre werde ich wieder gefragt, wann ich Ferien machen will. Und da man für richtige Ferien etwas unternehmen soll, müsste ich mir auch überlegen, was ich tun und wo ich hin will. Was aber, wenn ich überhaupt keine Motivation dazu habe?
Ja, da waren zwei mal „richtige“ Ferien seit den beiden Monaten 2005: 2012 machte ich eine grosse Deutschlandtour (um wenig später in tiefste Loch meines Lebens zu purzeln), letztes Jahr gab es eine erstaunlich nette Tour durch Europa, auf der ich mich wunderbar erholt habe (um danach einen neuen Job zu brauchen).
Da waren aber auch Jahre, in denen mich familiäre Pflichten einholten und ich Freitage brauchte, um irgendwie über Wasser zu bleiben. Ich muss bis auf Weiteres sicher zwei Wochen im Hintergrund haben, um ähnliche Ereignisse abfedern zu können - ich bin weder gewillt noch fähig, einmal mehr über Monate 150% zu leisten. Die letzten Jahre habe ich diese Wochen dann jeweils im Januar bezogen. Ich versuchte das auch letztes Jahr (trotz bzw. auch wegen dem Jobwechsel), nur hat das Beziehen neben einem grossen Projekt nicht geklappt. Dumm gelaufen.
Solche Projekte kommen vor und teilweise lebe ich für sie. Eines war damals in Heidelberg, gerade stecke ich wieder in einem. Ich sehe Arbeit bis im frühen Herbst, Unplanbarkeit, Terminverschiebungen, Chaos. Ja, man kann da auch mal zwei Wochen weg. Nur braucht man zuvor einen Monat, um irgendwie (üblicherweise erfolglos) das Gröbste beseitezuschaufeln und danach einen weiteren, um irgendwie dem Chaos wieder Herr zu werden. Erholung? Ganz bestimmt nicht.
So schiebe ich die Frage vor mich hin, irgendwann ist es Sommer, irgendwann ist das Jahr vorbei. Und rundum werde ich „warum hast Du nicht?“ und „mach es dieses mal besser!“ hören müssen.
Auch dieses Jahr will ich nehmen wie es kommt, aus Arbeit Reisen zu machen, die mich irgendwo hinspülen und bei denen ich Dinge erleben kann, die ich nie hätte planen können. Beste Erinnerung ist noch immer meine Reise im Zug durch die Staaten - wohl die beste meines Lebens. Ich habe bereits eine Winterreise hinter mir und bin überzeugt davon, dass noch mehr derartige kommen werden.
Die Psychologen nennen es Selbstwirksamkeitserfahrung, die Computermenschen Internet of Things - etwas zu bauen, was am Schluss blinkt, klappert und rattert
So bin auch ich ein klitzekleines Bisschen stolz darauf, zu diesem Projekt etwas beigesteuert zu haben.
Seit Anfangs September stecke ich in einem grossen Projekt, das mich gedanklich mehr in Beschlag nimmt als mir gut tut - ich fühle mich an ein ähnliches in Heidelberg erinnert, welches mich auch über ein gutes Jahr überherausgefordert hat. Meine schon traditionelle Reise an die DevConf in Brno muss dem weichen, auch wenn ich dringendst Ferien nötig hätte.
Auf meinem Tisch liegt eine Einladung zu einem Workshop nach Walldorf, last Minute bekomme ich noch einen Termin in Nürnberg. Warum nicht beides mit einem Zwischenstopp in München kombinieren und die 10 Tage als „gefühlten Ferien“ verwenden?
Um 4:00 klingelt der Wecker. Mein Rucksack steht gepackt bereit, während ich einen bequemen Kilt um meinen Hintern wickle und durch das verschlafene Zürch zu meinem Zug gehe.
Vom Kondukteur erfahre ich, dass Herr DB alle Schweizertauglichen ICEs gleichzeitig in die Werkstatt geschickt hat - der Weg bis Basel verbringe ich daher in einem alten, engen und lauten EW II. Der Rest der Reise ist belanglos, die laufende Verbauung der Badischen Rheinebene mit Lärmschutzwänden sorgt dafür, dass es kaum noch etwas zu sehen gibt.
Schon der zweite Tag Workshop. Ich stelle viele dumme Fragen und lerne fleissig. Gegen den Abend ist mir klar, dass ich mit niemandem mehr plaudern möchte, und gucke auf die Karte: Mein aktueller Arbeits- und Schlafplatz befindet sich in einem bizarren Industriepark ganz in der Nähe des Bahnhofes Rot-Malsch, die beiden dazugehörenden Dörfer sind rund 3km westlich und östlich von ihm.
Ich gehe nach Osten, Richtung Malsch. Irgendwann stolpere ich über eine zerfallene Treppe, die nur am oberen Ende eine Bauabschrankung hat, gehe weiter den Berg hoch und staune ab den ersten Häusern. Alles still, mehrheitlich sind die Fenster dunkel, die Türen dicht verrammelt. Die dick eingezäunten bzw. eingemauerten Vorgärtchen sind jedoch in Vorstadtmanier gepützelt und hergerichtet - dann und wann scheint auch hier Leben zu herrschen.
Jetzt aber nicht. Von dem guten Dutzend Restaurants hier sind 2/3 geschlossen, nur eines hat einen Hinweis, dass sie erst im Frühlnig wieder öffnen. Die anderen machen lediglich Ausschank und nichts zu Essen - einer der Wirte schimpft über den Deutschen Staat, der nur Geld wolle und ihn nicht für seine Gäste kochen lasse. Bevor es tief politisch wird gehe ich zurück Richtung Industrie, ohne die wirtschaftliche Situation genauer verstanden zu haben.
Neben dem Hotel finde ich einen Tahiländer. Auch dieser komplett leer, die Dame am Tresen lässt mir freie Tischwahl, nimmt meine Bestellung entgegen, bruzzelt in der Küche und serviert mir ein ausgiebiges Menü - genau das Richtige nach 2 1/2 Stunden erfolgloser Futtersuche. Das letzte Mal erlebte ich so etwas vor ziemlich genau 10 Jahren, mitten in der Po Ebene.
Diesen Abend geht es Richtung Westen, nach Rot. Auch hier ein langes Stück Grün bis zum Dorf, das seit den 70ern genaugenommen St. Leon-Rot heisst. Neugierig gehe ich durch Rot hindurch, bestaune das nach der Fusion entstandene Dorfzentrum zwischen den alten St. Leon und Rot. Ein grosses Gemeindehaus, eine Sportanlage, Aldi, Lidl, DM - das übliche, was man neben der lauten Autobahn erwarten würde. Die A5 fährt hier mitten durchs Dorf, bei ihrer Eröffnung 1936 war der Verkehr sicher noch spärlich, Einsprachen gegen solche Bauprojekte wohl lebensgefährlich. Ich bin fasziniert, wie laut der Verkehr hier ist. Während die abseits liegende Bahn Lärmschutzwände bauen und leise Bremsklötze verwenden muss, führt die Autobahn nackt und lärmig mittendurch. Die Deutschen haben definitiv eine andere Einstellung zu ihren Autos - ich merke das auch gleich beim fehlenden Trottoir unter der Autobahn.
Während St. Leon denselben Eindruck wie Malsch hinterlässt, so finde ich in Rot reichlich Auswahl an Futterplätzen. Meine Wahl fällt auf einen Italiener, ich krame ein paar Brocken Italiensich hervor und bekomme ein vorzügliches Abendessen.
Auf dem Rückweg komme ich am grossen Golfplatz vorbei, der trotz fehlenden Spielern in Flutlicht getaucht dasteht. Sein finanzieller Boden kommt sichtlich von der SAP, fussläufig und mit grossem Parkplatz versehen kann hier die Teppichetage ihrem Sport frönen. Endlich weiss ich, wo bestimmte - mir als Techie bisher unverständliche - Verträge ausgehandelt wurden
Nach einem sehr techniklastigen Tag machen wir Workshopteilnehmer einen Ausflug nach Heidelberg, finden einen feinen Znacht mitten in der Stadt. Ich lasse sowohl Kamera als auch Handy im Rucksack und freue mich einfach so, zusammen mit einem Wiener und einer ausgewanderten Wallisserin uns über die Deutschen und ihre Staus zu wundern.
Es ist der letzte Workshop Tag, es gilt noch etwas aufzuräumen und dann zeitig Weiterreisen. Ich bin bereits augecheckt, habe meinen Rucksack dabei und bin immer noch 10 Minuten zu früh - eine gute Möglichkeit, von der Lampe auf dem Parkplatz ein ordentliches Foto zu machen.
Irgendwer hat vor längerer Zeit zwei der drei Strahler auf den Himmel gerichtet und niemand sich bisher die Mühe genommen, das zu flicken.
Nach den Erlebnissen während unserem Hands-On in den Tagen hier weiss ich, dass auch im Hausprodukt, das hier entsteht, noch ein paar Baustellen stecken. Ich hoffe, dass diese eher adressiert werden, als die Lampe auf dem Parkplatz…
Samstagmorgen in München. Ich habe herrlich geschlafen, plane einen Stadtbummel und einen Besuch in der Sauna in Erding - doch bevor ich los kann, muss ich erst den Lachanfall aus dem Lift loswerden. Muss man „die heutige Jugend“ tatsächlich vor selbstzerstörerischem Verhalten schützen?
An einem Winterwochenende in die Sauna ist etwas grenzwertig, es hat eine gefühlte Gazillion Besucher. Zum Glück bin ich recht Hitzeresistent: Ab 85° gibt es Liegeplätze, bei 100° gar eine Privatsauna Dafür ist die Anlage offen bis tief in die Nacht, ich kann mir Zeit lassen und döse auch prompt zwei mal für eine Stunde weg.
So mag ich einkaufen: In den Laden, mein Wunsch äussern, reinstehen, wohlfühlen, rausgehen. Und wenn das dann noch mit einem Gespräch und einer Umarmung von einer lieben Bekannten verbunden ist, dann ist das noch besser Vor mehr als 25 Jahren erwarb ich ein paar Standard Tanzschuhe in Lack, die ich einfach liebte - bis zum Umzug, wo ich sie mit einem eingenisteten Pilzchen entsorgen musste. Da ich dann und wann wieder zu Tanzen versuche, wollte ich gucken, ob es sie noch gibt. Und ja, die Briten schaffen es tatsächlich: Ein Produkt über mehr als ein Vierteljahrhundert unverändert herzustellen.
Auch dieser Sonntag ist Reisetag, es geht von München nach Nürnberg, mit dem schnellsten Nahverkehr der Welt. Der „Ruckelzug“ brettert mit 200 Sachen über die Neubaustrecke vor Nürnberg, die paar Minuten, die der ICE schneller wäre, machen den Preisunterschied nicht aus.
Ziemlich fertig von den vergangenen Tagen kippe ich am späteren Nachmittag ins Bett und vertage die angedachte Fotostrecke trotz strahlendem Wetter. Manchmal muss man Prioritäten setzen…
Es ist schweinekalt in Nürnberg, der kalte Wind pfeift mir am Abend um die Ohren. Ich schaffe es zwar, einen langen Abendspaziergang durch die Altstadt zur Burg zu machen und den Vollmond zu bestaunen (am Morgen war Mondfinsternis, jedoch der Himmel bedeckt), aber für Fotos reicht es nicht. Es ist zu kalt für die grosse Kamera (bzw. meine Finger, die sie bedienen sollten) und zu dunkel fürs Handy.
Ich muss noch einmal hierher, wenn es ein bisschen wärmer ist *bibber*
Abends beim Kunden rauspurzeln mit dem Gefühl, die geplante Arbeit nicht nur erledigt, sondern auch gut gemacht zu haben - dafür mache ich meinen Job.
Ich feire den Abend bei lokaler Küche und frage mich einmal mehr, wie die das machen: Gut und reichlich zu speisen für elf Euronen
Und gleich noch einmal Reisetag. Angedacht ist etwas Dokumentation zu schreiben, doch dann lerne ich, dass die Neigezüge der DB wieder funktionieren. Bevor mein Magen rebelliert klappe ich das Notebook beiseite und geniesse für den Rest der Strecke die Aussicht. Zwischen Augsburg und Lindau führt mich mein Zug durch tiefverschneite und strahlend sonnige Allgäu. Ich kann es nicht lassen und mache am Immensee eines der lausigen aus-dem-Zugfenster-Fotos:
In Feldkirch umsteigen, der Railjet kommt spät, bringt mich danach aber reibungslos durch Lichtenstein und dem Walensee entlang zurück nach Zürich.
Ich fühle mich nach diesen 10 Tagen definitiv besser und kann mit gutem Gewissen „die Einstellung macht den Urlaub“ sagen. Auch wenn ich mehrheitlich gearbeitet habe, so fühlten sich die Tage entspannend und motivierend an - genau das, was ich jetzt brauchte