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Happy Cadaver

Ich habe einen freien Tag in Frankfurt, er war als Reserve geplant, falls der hiesige Kongress an diesem Tag noch etwas zu bieten hätte. Meine Sommergrippe gibt mir zu schaffen, ich gehe den Tag gemütlich an.

Der Plan klingt gut: Etwas dem Main entlangspazieren, etwa bei der EZB hoch Richtung Innenstadt, ein Bisschen Shopping und bezeiten zurück in die Unterkunft. Dem Fluss entlang erscheint mir die Stadt etwas zu ruhig, in den Einkaufsstrassen stehe ich vor verschlossenen Türen - ich habe die Rechnung ohne der Wirt gemacht bzw. den Fronleichnam versifft, der hier gefeiert wird.

Gelohnt hat es sich trotzdem, ich habe wieder ein Gefühl für die Stadt bekommen: Sie hat sich in den knapp 15 Jahren, in denen ich sie jetzt kenne, mächtig verändert. Eine weit offene soziale Schere, hier Prunk, da Siff - manchmal sind Häuser aus beiden Gegenden gar Rücken an Rücken aneinandergebaut. Auf den Strassen begegnen mir keinerlei Eingeborene und ich stelle die Theorie auf, dass diese (Frankfurter, vielleicht gar Deutsche allgemein) sich extrem schwer in der Integration tun - nicht nur bei den Migranten (quasi die da „unten“), sondern auch bei den Expats (hochbezahlte Spezialisten aus aller Welt). Sie schotten sich ab, reisen in ihrer viereckigen Blechbüchste von der eingezäunten Wohnung in das bewachte Büro und überlassen das Leben auf den Strassen den „Ausländern“. Ist vielleicht die Unmöglichkeit, in Zürich mit einem Auto voranzukommen, einen Grund dafür, dass die Integration von Auswärtigen spätestens in der zweiten Generation gut funktioniert? Wir müssen alle früher oder später im selben Raum sitzen, sei es das Tram oder die S-Bahn.

Der Weg Europaallee - Main - EZB - Innenstdt - Bahnhof - Europaallee erscheint mir auf jeden Fall als eine gute Möglichkeit, die Stadt in ihrer Einzigartigkeit einzufangen. Ich will da noch einem hin, mit der dicken Kamera, passendem Glas und ohne Krank.

Käfer

Gegen Mittag sitze ich in einem der unzähligen klimatisierten Seminarräume, höre gespannt einer Handvoll Jungs zu, die über den aktuellen Stand von Infiniband plaudern und spüre das gruselige Gefühl, wie sich innert weniger Minuten ein Käfer den Weg durch meinen Körper bahnt. Ich weiss, dass ich noch drei Tage durchhalten muss und draussen über 30° herrschen - entsprechend kürze ich das Abendprogramm ab und jage mir im Quartier ein schnelles Abendessen.

Aktuell habe ich gerade mächtig den Koller und denke intensiv über einen Ausstieg nach (dass Rüebli Pflanzen nicht das meinige ist, konnte ich vor Kurzem erfahren). Ich nutzte die Fahrt nach Frankfurt für ein intensives in-mich-gehen mit dem Ergebnis, dass ich wohl noch immer am richtigen Ort bin - einem Ort, an dem ich Gutes tun kann und die Menschen um mich herum Freude an dem haben, was ich mache. Meine beiden Jobwechsel haben mich in vielerlei Hinsicht auf Feld "1" gesetzt, ich muss auf jeden Fall die kommenden Monate nutzen, wieder eine Nische zu finden, in der ich mich langfristig wohl fühlen kann. Selbiges in der Fotografie zu finden dürfte ziemlich hart sein und ich weiss, dass ich mich für Erfolg ziemlich verbiegen müsste. Ja, es gibt einige Menschen, die Freude an meinen Bildern haben - doch die grosse Masse hat einen anderen Geschmack.

Wie durch Zufall laufe ich auf der Suche nach Futter an obigem Schild vorbei. In der folgenden Surfstunde erfahre ich, dass Studioline (ich verknüpfe diesen Namen mit dem Ultra Strong Haargel, mit welchem wir Ende der 80er unsere Frisuren betonierten :-) ) eine Kette ist, die in Deutschland und neu Oesterreich an gut frequentierten Orten kleine Studios einrichtet. Noch haben sie keine Niederlassungen in der Schweiz - sobald das kommt, sehe ich kaum noch Chancen, als freischaffender Fotograf einen Fuss auf den Boden zu bekommen.

Trotz allem werde auch ich älter, in anderthalb Jahren winken die 50. Ich möchte auf jeden Fall etwas komplett Schräges unternehmen und möchte das mit meinem Hobby Fotografieren verknüpfen. Ein Semester Fotografie an einer Hochschule (habe ich erfolglos schon vor 10 Jahren einzufädeln versucht), ein Praktikum bei einem Fotografen? Klingt als Ziel schon einmal ganz OK, Plan „B“ dürfte eine längere Reise mit Kamera sein - auch hier gibt es noch ein paar wunderbare Möglichkeiten.

Wie üblich, wer eine Idee hat, einfach her damit ;-)

Top500

Muuuuuh! Vor dem Eingang zur halbjährlichen Veröffentlichung der Liste der 500 schnellsten Computer drückt mir ein Helfer ein Stofftierchen in die Hand - als Gegenleistung soll ich vor dem Fotografen posen. Kein Problem, ich fühle mich in Rock und Hemd sowieso gerade als bunter Hund :-)

Auch wenn HPC nicht mehr mein Kerngebiet ist, so habe ich doch sporadische Berührungspunkte - eine gute Motivation, nach zwei Jahren wieder einmal einen Brushup zu machen.

Es ist gerade Ruhe vor dem Sturm, zumindest kommt es mir so vor. Die Top500 hat nur noch Petaflop Systeme, elf Jahre nach dem ersten derartigen. Der Wettbewerb zwischen den Staaten läuft, sowohl die USA als auch China und die EU sind allesamt am Tüfteln für die kommende Exaflop Maschine. Derweil läuft die Forschung, ich kann viele spannende Einblicke in Bio-, Klima- und Engineeringprojekte mitnehmen, bekomme einen guten Einblick in die Arbeiten an den KI und Quantencomputern.

Es ist gleichzeitig auch ungemein faszinierend zu sehen, wie Moores Law nach Dennards Scaling so langsam ans Ende kommt - wir werden vielleicht noch zwei Generationen neuer Chips sehen, dann ist Schluss - niemand wird mehr die Fabrik zahlen können, die noch kleinere und schnellere Chips fabriziert. Eine Spezialisierung, wie wir sie mit den GPUs gesehen haben, wird wohl die Folge sein - über alles ist aber klar, dass das exponentielle Wachstum auf die Wand zurennt. Damit wird HPC wohl eine der ersten Industrien weltweit sein, wo dies passiert, mit all den „klassischen“ Einsatzgebieten der Computerei im Schlepptau.

Ich bin ja so gespannt, ob wir es als Menschheit packen, uns vom exponentiellen Wachstum abzulösen. Seit meinem letzten Besuch in dieser Stadt bin ich überzeugt davon, dass es erstrebenswert wäre.

Ferien

Nach meiner Winterreise im Januar war mir klar, dass diese Jahr Ferien ein Problem sein werden - genötigt von Chef, Mitarbeitern und Verwandschaft reichte ich dann doch zwei Wochen ein. Sie wurden wie erwartet: Drei Tage Arbeiten, fünf Tage Kongress, fünf Tage krank - typische Ferien von Beat ;-)

Immerhin bleibt die Umleitung des Zuges nach Frankfurt ohne Folgen: Ich komme pünktlich an und lerne am Abend bereits wie Eisbären warm machen, Metallurgen gerade Legierungen wie Aufläufe basteln und künstliche Intelligenz denjenigen helfen kann, die das zu lösende Problem (auch) nicht verstehen.

Pride

Die streikenden Frauen sind abgezogen und haben die Stadt den Regenbogenleuten überlassen. Während ich die Reden auf dem Helvetiaplatz am chaotischen Freitag mehr zwangsweise durch meine Ohrenpfropfen verfolgen musste, stürze ich mich an diesem Tag ins Getümmel und geniesse die wundervoll friedliche Stimmung unter diesen so unglaublich schrägen Leuten.

Das Organisationskomitee unternimmt alles, um der Veranstaltung das Politische nicht nehmen zu lassen. Unsere Stadtmutter hat uns die Bahnhofstrasse, einen Teil des Paradeplatzes und die Sächsilüütewiese Platz gegeben, die grossen Niederlassungen amerikanischer Firmen in Zürich und die diesem Stil folgenden lokalen Grosskonzerne haben viel Sponsoringgelder fliessen lassen - eine Kommerzialisierung, die den Sprecherinnen ganz und gar nicht gefällt.

Kaum ein Wort findet der Aspekt dieses Tages, der mir selbst besonders wichtig ist: Den Leuten, die sich unsicher in ihrem Weg fühlen, einen Ort und eine Zeit zu geben, wo sie ganz sich selbst sein können. Wo sie ihren Weg abtasten können und dabei nicht auf die gesellschaftlichen Schranken und die Ablehnung stossen, die im täglichen Leben immer wieder auftreten. Du bist richtig ist der Satz, der mir den ganzen Tag im Kopf herumschwirrt, wenn ich Menschen beobachte: Viele junge Mädchen, die zu zweit unterwegs sind; die beiden Rentner, sicher jenseits der siebzig, Hand in Hand; das Mädchen mit Zopf und Rock, das verschupft auf einer Mauer sitzt und heute wohl den einen Tag geniesst, an dem sie nicht mit ihren Biogeschlecht unterwegs sein muss; kleine Grüppchen, Männlein und Weiblein wild gemischt, allesamt Händchenhaltend; all die Menschen zwischen Mann und Frau, die sich auf der Gegenseite oder dem Grenzbereich dazwischen bewegen.

Es ist immer wieder ein grosses Erlebnis, mitten unter diesen Menschen zu sein und an diesen Erlebnissen teilhaben zu dürfen.

Putzzeug

Nachdem ich wieder bequem sitze, fällt mir die dicke Staubschicht auf meinem Macbook umso mehr auf. Wie gut, gibt es einen Computerladen im Shop Ville, der auch an heiligen Sonntagen geöffnet hat.

Das Design finde ich einfach grässlich. Ich habe Superhelden nie verstanden (auch wenn ich bisweilen selbst einer bin bzw. mich so fühle), dass das Mädchen feucht ist und die eigentliche Drecksarbeit erledigen muss, ist in der heutigen Zeit schon richtig sexistisch zu nennen. Die Referenz auf die früher so grosse BASF (ihre Kassettenbänder haben irgendwie nie die Dynamik erreicht, die ich mir bei der Aufnahme von Hitparaden Ende der 80er gewünscht hätte) ist reichlich fragwürdig. Aber ja, ich will einen sauberen Bildschirm und nehme, was im Gestell steht.

Immerhin, die Superhelden wirken und ich sehe plötzlich wieder etwas von meinen Bildern ;-)


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