Gleitsichtbrille. Wie graue Haare für viele Frauen der wahre Horror sind (und sie es, bis sie alt und schrumpelig sind, mit Farbe zu vertuschen versuchen), ist der Verlust der Fähigkeit, in der Nähe scharf zu sehen, für mich ein Zeichen des Altwerdens. Gruselig! Aber da muss ich jetzt durch, das Leben ist kein Ponyhof.
Ich beschäftige mich den Sommer über mit der Natur und dem Umgang mit solchen Gläsern. Gehe Dingen nach wie sphärische und chromatische Aberration und unserer Fähigkeit - im Gegensatz zu Film und CMOS Sensor - solche Fehler zu korrigieren. Verfolge aber auch praktische Fragen, ob man damit beispielsweise fotografieren kann und wie weit sich damit das Sichtfeld - und damit meine Fähigkeit, Dinge in meiner Umgebung zu entdecken - eingeschränkt wird. Oder - noch praktischer - welcher Optiker in Zürich die breiteste Auswahl an Glas hat. Lange Jahre war ich Zeiss Träger (was für meine Kamera gut ist, kann ja auch für meine Augen OK sein), die letzten Gläser waren von Rodenstock (extrem dünn, asphärisch geschliffen - ich brauchte drei Monate, bis die Welt wieder gerade und eckig war).
Mit diesem Hintergrundwissen nutzte ich einen Freitag im September und liess mich ausmessen. Die Beschreibung, wofür man seine Augen typischerweise benutzt, hilft den Optikern, aus dem Wust an Optionen die passenden zu suchen. Selbst meine Kamera begleitete mich mit dem Hintergedanken, am Schluss auch etwas durch den Sucher zu sehen.
Die aktuellen Metallgestelle sind allesamt sehr filigran und kaum geeignet, meine -10 Dioptrien Korrektur langfristig am Platz zu halten, Plastik kommt für mich nicht in Frage und so endete ich bei Horn. Das finale Gestell musste aus vier separaten zusammengefrankensteint werden: Vom einen die Form (ziemlich rund, aber nicht perfekt kreisförming), vom anderen die Nasenbreite (mein Zinken ist mit 18mm sehr schmal), vom dritten die Bügellänge und vom vierten die Farbe. Mitte Oktober war das Gestell bereit und Zeit, die Gläser auszumessen - auch diese werden per CNC Fräsen passend zugeschliffen. Noch einmal zwei Wochen später ist alles bereit und ich sehe meine Umwelt wieder scharf.
Die Brille ist von einem grossen Paket begleitet, darin das Foto, auf dessen Basis die Gläser eingepasst wurden. Irgendwie gruselig, irgendwie faszinierend - aber auf jeden Fall eine gute Erinnerung an diese Phase in meinem Leben.