Mein Arbeitgeber hat Büros in den meisten Ecken der Welt, meist nach dem Kürzel des nächsten Flughafens benannt. Ich werde dieses Jahr das eine oder andere sehen und habe mir vorgenommen, jeweils ein Bild zur Erinnerung einzupacken.
In Brno verbringe ich einen Tag im Service Delivery, bereinige meine Pendenzen, lerne Gesichter hinter IRC Nicks kennen und höre das erste und letzte Schweizerdeutsch für lange Zeit.
Ein verlängertes Wochenende in Brno, das alljährliche Treffen der Codemonkeys und Sysadmins aus dem Upstream Universum meines Arbeitgebers ruft.
In einem Nebenraum der technischen Uni hat sich ein Professor ein Computermuseum eingerichtet. Die Sinclair Computer fanden auf irgendwelchen dunklen Wegen in die damalige Techoslowakei, wurden - von uns Westlern unbekannt - schnell adaptiert und in vielerlei kreativen Nachbauten bis zur Wende hin fabriziert. Dieses mal habe ich die Kamera dabei und mache ein ordentliches Bild eines ZX81.
Irgendwie schon spannend, meinen ersten Computer im Museum zu sehen. Erinnert mich daran, dass auch ich irgendwie furchtbar alt sein muss
Nicht der Song von Prince, sondern Keep it simple, stupid! Sporadisch möchte ich gerne mit dem Zaunpfahl winken und dazu eignet sich nichts besseres als ein eindrückliches Bild in meinen Präsentationen. Ich mache solche Bilder gerne selbst, dann habe ich garantiert keine Probleme mit dem Copyright - freundlicherweise hat sich Maja als Model zur Verfügung gestellt.
Das Bild erinnert mich noch an einen anderen Gedankengang: Seit Monaten tobt ein Kampf gegen Kopftücher und Verschleierungen, selbst in der braven Schweiz kennen wir mittlerweile ein regionales Burkaverbot. 1)
Wann immer ich draussen unterwegs bin, gucke ich mir die Menschen um mich herum an. Sehe ihnen ins Gesicht, überlege mir, was dahintersteckt. Mir begegnet kaum eine Frau ohne Schminke im Gesicht, manchmal ist es eine dicke Maske, manchmal einfach nur ein dunkler Strich über den Wimpern - nur in den seltensten Fällen gänzlich ohne.
In vielen Gesprächen hörte ich den Satz „ich kenne es nicht anders“, „ohne fühle ich mich nackt“, „dahinter kann ich mich verstecken“. Unsere Gesellschaft übt einen enormen Druck aus, dass die Frauen sich „schön machen“, „herrichten“ oder „aufhübschen“ müssen. Dieser Druck kommt wohl aus der Werbeecke 2), praktisch nie von den Partnern 3), sondern erschreckend oft von den Frauen untereinander. Von der Mutter zur Tochter, unter Freundinnen, Arbeitskolleginnen. Wer ungeschminkt erscheint, wir belächelt, bedauert und schlimmstenfalls durch die Gerüchteküche gezogen.
Ja, ich kenne Ausnahmen. Frauen, die sich davor gruseln, Farbe im Gesicht zu tragen. Frauen, die sich bewusst nicht schminken und das als politisches Statement stehen. Und dann sehe ich regelmässig diejenigen, die ganz unten angelangt sind und bei Pfarrer Sieber's Sunestube gegenüber einkehren. Es sind die Ausnahmen. Die grosse Masse dürfte sich kaum Gedanken um das „warum“ machen, sondern am frühen Morgen selbstverständlich zu Grundierung, Puder, Wimperntusche, Lidschatten, Kajal und Lippenstift greifen.
Sind wir da wirklich anders als die Kulturen, in denen Frauen Kopftücher umbinden?
Ein neues Jahr, ein neuer Versuch. Ich pilgere an den Panoramaweg, gucke kurz vor Mitternacht auf den See und die Lichter der Stadt, nutze die „kleinen“ Feuerwerke um mich einzurichten. Doch wie schon ein Jahr zuvor kommt in den 20 Minuten bis zum grossen Feuerwerk eine fette Nebelwand.
Irgendwann realisiere ich, was da abgeht: All das private Feuerwerk erzeugt derart viel Feinstaub Kondensationskerne, dass die mit Wasser gesättigte Luft kleine Tröpfchen auskondensiert. Also keine Feuerwerksbilder, dafür etwas Physik und Meteorologie
Mal sehen, ob das mit dem Feuerwerk hinter Nebel ein Omen ist. 2016 war so ein Jahr und das, was hinter dem Nebel hervorkam, war ziemlich heftig. Aber vielleicht bietet Nummerologie eine bessere Aussicht? 2017 ist wie 2011 eine Primzahl, irgendwie auch nicht besser. Also auf die Stimme hören, die aus dem Chaos spricht: Lächle und sei froh, denn es könnte schlimmer kommen.
Mein traditionelles Christbaumkugelselfie aus dem Spaziergang zum Heiligen Abend.
Nala würde sagen es sei zum Christbaumkugeln furzen. Ich streife mehr als eine Stunde erfolglos durch die Stadt, auf der Suche nach einer Kugel. Alles weggepackt, verrammelt, bestenfalls in einem Schaufenster versteckt. Die diesjährige Weihnachtszeit war nicht nur die Dünnste in meiner Erinnerung, sie ist auch schlagartig verschwunden. Die Stadt erinnert mich an den Vorabend zum ersten Mai, gerüstet für einen Barbarenfeldzug.
Ein paar asiatische Touris vergnügen sich mit Selfies vor und unter der Lucie, vereinzelt sind Einheimische mit Kamera unterwegs, um die Resten der Stimmung einzufangen. Ich kehre früh in meine Stadtwohnung zurück - für mich ist normales Wochenende zwischen verrückten Tagen - und verziehe mich bezeiten ins Bett.
Manchmal gelingen Experimente. Das war 1/4 Sekunde aus freier Hand Irgendwie ein Bild nicht von dieser Welt - auch wenn das kleine Observatorium im Neuenburger Jura ganz auf der unserigen steht und dazu gemacht ist, andere anzugucken.
Der Himmel ist mehrheitlich bedeckt, wir gucken durchs grosse Rohr aufs Mare Tranquillitatis. Ich bin fasziniert von dem, was ich sehe und erinnere mich mit Schauer an die eigenen Versuche.