Neugierig guckt er aus der Mauerspalte, mein Zug ist noch weit weg und ich kann mir Zeit lassen, sein Vertrauen zu gewinnen.
Einer der Tage an denen ich es verfluche, die Kamera nicht im Rucksack zu haben.
Samstagabend. Während ich meine frischgewaschenen T-Shirts zusammenlege geht draussen die Welt unter - zumindest tönt das Donnergrollen im Keller ziemlich gruselig. Zurück in der Wohnung sehe ich einen wundervollen Regenbogen (ich habe mal gelernt, dass das das Zeichen sein soll, dass nie mehr eine Sintflut kommt).
Das galt nicht für die VBZ, Stromausfall auf allen neuralgischen Plätzen in Zürich. Mein Abendspaziergang führt an mehr stehenden Tramzügen vorbei als ich je auf einem Haufen gesehen habe. Stauffacher, Paradeplatz, Bellevue, Central, Hauptbahnhof - alles still. Ich bin fasziniert von der Ruhe, war mir bis zu diesem Abend nicht bewusst, wieviel „Grundrauschen“ der Tramverkehr in dieser Stadt eigentlich erzeugt.
Der letzte Sonntag im April, ein strahlender Frühlingstag, Pinhole Day. Vor bald zwei Monaten war ich das letzte mal mit meiner Kamera unterwegs, meine Kreativität blieb neben der vielen Arbeit an allen Ecken und Enden einfach begraben - entsprechend bin ich noch am Morgen unschlüssig, was ich aus dem Tag machen will. Warum nicht einfach dieses depressive Gefühl mit dem Medium Lochkamera umsetzen?
Nach ein paar Versuchen in siffigen Unterführungen finde ich dann auch die perfekte. Das Loch, das einen aus dem sonnigen Tag in die Tiefe zieht. Dunkel, beängstigend, ausweglos. Im Gegensatz zur Migräne hilft mir dieses mal die Auseinandersetzung, mit geht es nach diesem Fotospaziergang wesentlich besser.
Es ist Weltfrauentag, kurz nach 20:00. Ein paar Demonstrantinnen haben sich versammelt und ziehen durch die Strassen, wie ich später erfahre ohne sich vorab um eine Bewilligung gekümmert zu haben. Die Stadtpolizisten sind äusserst nervös, rasen erst mit Blaulicht kreuz und quer durchs Quartier, errichten alsbald eine Strassensperre vor meiner Nase, verteidigen diese kurz nach neun mit Schüssen in die Luft. Etwas später taucht der eine Wasserwerfer auf, sein Motor läuft permanent, in meiner Wohnung lärmt's und stinkt's.
Kurz vor Mitternacht kehrt Ruhe ein, die Polizei zieht ab, ich mache neugierig einen Spaziergang durchs Quartier. Die Demonstrantinnen sammeln sich im Hof, kaum eine ueber mitte zwanzig, alle traumatisiert von dem Erlebnis, eingekesselt zu sein. Mädchen, wir sind im braven Zürich. Ihr habt ein verfassungsmässiges Recht darauf, zu demonstrieren und Eure Meinung zu vertreten. Aber bitte meldet das an, dann haben die „Blauen“ keine Angst vor Euch, sondern gucken, dass Ihr nicht unter die Räder kommt.
München kennt ja abgedrehte Orte - dieses Mal zieht es mich und meine Kamera zum Ratzingerplatz, dem wohl hässlichsten Ort dieser Stadt.
Mitte der 60er Jahre kam das Tram durch die Boschetsrieder Strasse hierher, auf einem eigenen Trasse separiert von dem Verkehr des geplanten und bisher unfertigen Aeusseren Ringes. 25 Jahre später wurde das Tram durch die U3 ersetzt, der nahe U-Bahnhof Aidenbachstrasse ersetzte den Knoten Ratzingerplatz.
Nun liegt er verlassen da, schon länger als er ursprünglich benutzt wurde, ein Geisterbahnhof inmitten einer Stadt. Der Abbruch der Geleise erfolgte nur da, wo sie störten, der Rest soll verschwinden, sobald das Quartier aufgewertet wird. Ein neues Tram soll kommen, wird aber auf das Geld nach die Realisierung der zweiten S-Bahn Stammstrecke warten müssen. Vielleicht ein Schulhaus auf einer der Brachflächen vom letzten Krieg gleich nebenan? Noch sind es bloss Pläne, München's Geld fliesst gerade kräftig in die Innenstadt, aussenliegende Quartiere müssen warten.
Ferien! Das gab es seit 2012 nicht mehr. Entsprechend plane ich sorgfältig ein sanftes Runterkommen mit der DevConf und einem Besuch im Brno Office, bevor meine Reise weiter nach Wien geht. Auf dem Weg allerdings Reizhusten und Schüttelfrost, entweder habe ich an der Konferenz einen internationalen Grippevirus erwischt, der im Impfpaket nicht enthalten war, oder aber die erwartete drei-Tage-Migräne hat sich etwas besseres ausgedacht.
Eine Woche lang seuche ich durch Wien, mal schlimmer, mal besser zurecht. An diesem zweiten Februar bin ich genug gesund, um einen Fototag im Haus des Meeres zu machen und fange unter anderem diese nette Badezimmerspinne (eine japanische Meeresspinne, genaugenommen eine Krabbe) ein:
Das Teil ist vielleicht einen knappen Meter gross, die meisten Besucher um mich herum bemerken sie erst auf meinen Hinweis. Dann ging das Gruseln aber heftig durch die Menge
Tags darauf wieder gefühlte 39°, soviel zu meinem diesjährigen Geburtstag. Drei Tage später breche ich ab, lasse den Nachtzug nach München sausen und kehre nach Zürich zurück. Ich glaube ich warte erneut 5 Jahre, bis ich mich wieder auf das Experiment Ferien einlasse…