Zwei Tage gefüllt mit viel neuem Wissen, viersprachigen Plaudereien, geschäftlichem Sozialisieren, beiseiteschieben von dringenden Pendenzen. Ich nutze die letzten beiden hellen Stunden, nehme den Bus in die Innenstadt, spaziere um die Donau und fange ein paar Eindrücke ein. Ein Mädchen sitzt am Ufer und ich bin stolz auf meine Ueberwindung, sie für ein Bild gefragt zu haben. Auf dem Weg zu einer Ortstafel im Bahnhof bekomme ich noch einen wunderbaren Sonnenuntergang.
Danach verziehe ich mich schnell zurück in meine Unterkunft. Einmal mehr bin ich überrascht davon, wieviele „komische“ Leute am Bahnhof Regensburg herumlungern und es erschreckt mich, wie viele arische Glatzköpfe in den letzten drei Jahren dazugekommen sind.
Mir eine etwas bodenständigere Unterkunft in Regensburg zu suchen als das Businesshotel war eine gute Idee. Als ich sie endlich gefunden habe mag ich nicht mehr zurück in die Stadt - der extreme Gegensatz zwischen dem dörflichen Dechbetten und der drumrumliegenden Bahn, Autobahn und Hauptstrasse fasziniert mich und ich mache gleich vor Ort einen kleinen Spaziergang mit Kamera.
Danach ein richtiges Bayrisches Abendessen *pappsatt*
Unterwegs zu einem Treffen mit lieben Menschen. Ich habe ein improvisiertes Studio eingepackt und die Idee, vielleicht den Einen oder Anderen da abzulichten. Kamera, Blitz, Computer, ein kleiner Fotodrucker, grosse Bogen weissen Halbkarton und Fotoecken. Viel zu viel Gepäck, verspäteter Zug, Bus in die Pampas - ich bin überzeugt davon, das nie mehr zu machen. Doch jetzt ist es hier und bleibt drei Tage stehen.
Ich bekomme in meiner Ecke viele Besuche, allesamt Menschen, die ihre Gefühle zu mir bringen. Wünsche, Freude, Tränen, Aengste, Hemmungen, Hoffnungen, Begehren, eine Spur Dominanz und Unterwürfigkeit, eine Portion Exhibitionismus. Manche spielen Theater und lassen verdeckte Emotionen erahnen, andere lassen tief in ihr Inneres blicken. Am Schluss hängt ein Dutzend Fotos an der Wand, hinter jedem steckt eine intime Geschichte. Ich fühle mich ziemlich mitgenommen und müde, überfordert mit den vielen Eindrücken und Erlebnissen.
Hier passiert Kunst! mein ein guter Bekannter. Kunst, die nicht nur mir Freude macht, sondern auch Anderen. Wohl das Schönste, was man mit einem Fotoapparat machen kann.
Auf dem Heimweg fühlt sich der Koffer bedeutend weniger schwer an.
Gerüstet mit viel Zeit stelle ich mich in die Schlange und lasse mich fotografieren. Ob es die „falsche“ Kamera ist, dass der Mensch am Ventilator auf full power stellt und mich beinahe wegbläst? Oder will er mir unter den Rock gucken? Fragen über Fragen
Die Lomoleute haben ihr Versprechen gehalten und ich kann mein Souvenir abholen. Die grottigste Linse, die ich je hatte. Ich freue mich riesig, sie als Gestaltungsmittel einzusetzen.
Bei Canon entdeckte ich in einer Ecke die vielleicht faszinierendste Vitrine der ganzen Messe. Canon, „Made in China“. Selbst Hologramme können die Schlitzaugen nachbauen, der Hammer ist ein vollständiger Objektivtubus ohne Inhalt…
Voller Eindrücke und vieler guter Gespräche verlasse ich die Messe. Tut gut, für einmal etwas „Sinnloses“ zu machen!
20 Jahre sind es her, dass ich auf der anderen Seite der Theke stand und den Leuten die neuesten Errungenschaften der fleissigen Japaner präsentierte. Mit viel Nostalgie und etwas Neugier reise ich nach Köln, freue mich auf einen Event, den ich nicht aus beruflichen Gründen besuche.
Mein Weg führt vorbei an der Logographischen Gesellschaft, am einzigen Stand, der auch vor Ort verkaufen darf. Der gewünschte Adapter funktioniert und bin froh, dass ich einen zweiten Tag gebucht habe und mir die Jungs ihn aus dem Lager organisieren können. Ich betatsche eine Hand voll Linsen, gucke fasziniert durch ein EF8-15mm, ein Zeiss 1.4/85, ein Sigma 12-24mm und verwerfe den Wunsch nach *haben*. Beim EF17-40mm bin ich mir hingegen gar nicht so sicher…
Hasselblad macht einmal mehr Shows mit lasziven Mädels, versucht eine Mirrorless mit Sony Technik an den Mann zu bringen. Ich bin durchaus froh, meine 503CX vor kurzem abgegeben zu haben, das System ist jetzt definitiv tot. Und wohl zum letzten Mal sehe ich Kodak. Am Stand machen noch alle Friede, Freude, Eierkuchen und werden Ende Jahr einen neuen Job brauchen.
Das Büro holt mich permanent ein, ich stehe oft am Rand des Geschehens mit dem Handy in der Hand. Ich hatte am Morgen die Dusche am Bahnhof bleibenlassen, bin mit Utilikilt vor Ort und ein begehrtes Fotoobjekt. Bei 100 habe ich aufgehört zu zählen
Die grösste Budenstrasse und Rummelplatz der Schweiz locken mich an diesem strahlenden Spätsommer bzw. Frühherbsttag nach Zürich. Aber das häsch doch sletscht Jahr scho gmacht? meint Nala - richtig, damals aber noch mit einer anderen Kamera. Wenn die Bilder dieses Mal nix werden, dann ist definitiv der Fotograf eine Pflaume
Auf der Heimfahrt wird mir bewusst, wie sich die Zeiten geändert haben. Wie an Weihnachten kann ich mich auch hier nicht wirklich an die LED Beleuchtung gewöhnen. Und ich bin fasziniert, vielleicht erschreckt davon, wie die grossen Bahnen unserer Jugend nicht mehr voll werden. Eine Enterprise, die Berg- und Talbahnen - leere Plätze mitten in der Rush Hour. Vor 30 Jahren mussten wir anstehen, um unsere Angebetete von der Fliehkraft in unsere Arme gleiten zu lassen. Ich werde alt.
5 1/4 Stunden stoffle ich durchs Getümmel, mache 600 Bilder. Meine letzte Fotosession ist beinahe einen Monat her und es tut gut, mich so richtig auszutoben. Mir begegnen Farben, Licht, verlorene Dinge, unzählige Menschen. Ich merke, wie sich mein Stil verändert, wie ich immer mehr auf die Details achte. Vielleicht noch zu wenige Menschen? An dieser inneren Schwelle arbeite ich noch, nicht zuletzt seit der Streetparade