Mein Bart wuchert, die Haare grauen, die Falten werden tiefer - ich brauche ein neues Profilbild. Eine Session im Frühjahr eskalierte in Schabernack, so nutze ich ein paar Freitage, um es noch einmal zu versuchen.
Es werden dann doch drei Anläufe, bis mir das Resultat passt. Ich bin unschlüssig, ob ich jetzt eitel bin oder aber schon zu viele (schlechte) Portraits gemacht habe
Ein guter Freund von mir beschäftigt sich mit künstlicher Intelligenz und ihren Möglichkeiten, damit Kunst zu erschaffen. Es fühlt sich gruselig an, was damit möglich ist und ich frage mich oft, ob es denn solche Handwerker wie mich noch brauchen wird. Neulich generierte er ein Mädchen, das durch ein Glas blickt, Inspiration fand er in Die lachende Kamera aus den 60ern. Ich fühlte mich wiederum inspiriert
Ganz so einfach wurde es dann doch nicht. Die KI muss sich nicht um Modelle kümmern (ich schon, also Beat, sitz vor die Kamera!), hat beliebige Gläser im Schrank (bei mir sind die grossen über die Jahre zerdeppert, immerhin besitze ich seit meiner Hochzeit Schampusgläser) und muss sich nicht physikalischen Grundsätzen beugen (mist, wo liegt jetzt der Fokus? Wo ist meine Brille???)
Immerhin trage ich die Erkenntnis mit mir, dass wir fotografischen Handwerker nicht ganz bedeutungslos werden *schweissabwisch*
Schon etwas länger her bekam ich in meinem Lieblingscomicshop den Schattenspringer empfohlen. Ein wunderbarer (Sach)Comic, den ich auch schon meinem ehemaligen Teamleiter zur Veranschaulichung unseres Seins in die Hand drückte. Daniela hat darin eine Zeichnung, auf der sie auf den Schatten ihrer Antennen guckt.
Die Idee, das fotografisch nachzustellen, begleitete mich sehr lange. Alleine das Scouten einer Lokation stellte sich als Herausforderung heraus, heutzutage sind unsere Städte mehrheitlich von LEDs beleuchtet, die unmögliche „pixelige“ Schatten erzeugen. Wenigstens eine Strasse fand ich, die noch altmodische Natriumdampflampen benutzt und diese so weit voneinander entfernt sind, dass es einen einzelnen und deutlichen Schatten gibt. Zeit, Trockenheit und Dunkelheit brauchte das Projekt auch, willige Assistenz sowieso. Ich finde alles an diesem Oktoberabend.
Ich mag meine Antennen. Sie motivieren mich zu solch absurden Ideen
Spass am Rande: Der Spaziergänger mit Hund, der mich fragte, ob wir da eine Radarfalle aufbauten, war einfach zu köstlich
Letzte Spätsommertage, am Knabenschiessensonntag ist es schlagartig vorbei. 48 Stunden liegen zwischen grün und braun - als hätten die Bäume nur darauf gewartet, das mit der Photosythese endlich einzustellen. Es ist ein verrückter Monat, mein Kopf macht täglich Migräne und lässt mir keine Pause.
Es ist der zwölfte Monat, in dem ich mit dem Superzoom unterwegs bin. Zeit, das Projekt quasi abzuschliessen und etwas Neues zu starten. Weil - ohne Bild vom Tag würde mir etwas fehlen
Jeden Tag ein Bild war meine Idee im Herbst 2022 - ein Jahr später hatte ich 365 Bilder zusammen und schloss das Projekt unter dem Namen Takumar ab. Ich spürte, dass mir die tägliche Auseinandersetzung mit meiner Leidenschaft gut tut und überlegte mir, was der Aufhänger fürs nächste Jahr sein könnte. Das Konzept, mich ein Jahr mit einer Linse auseinanderzusetzen, wollte ich beibehalten und hatte in einer schlaflosen Nacht den absurden Einfall, eines der Superzooms aus Mitte der 90er zu suchen. Im Tessin wurde ich fündig 1), es heisst Tamron AF 1:3.5-5.6 28-200mm ASPHERICAL, stammt aus 1992 und war das erste seiner Art.
Ueber das Jahr lernte ich, mich mit den Unzulänglichkeiten dieser Linse abzugeben und ihre unglaubliche Trashigkeit heiss zu lieben Die Naheinstellungsgrenze von 2.10m überbrückte ich (wie meine eigene!) mit einer Lesebrille Nahlinse, die Flares, Vignettierung und Schärfeabfall im Randbereich (sofern es denn überhaupt scharf wird!) sowie die Reflexionen zwischen Hinterlinse und Sensor versuchte ich wann immer möglich als gestalterisches Element einzusetzen.
Jeden Tag gab es ein Bild 2) aus denen ich unterwegs kleine Kalender bastelte 3)
Die grossen Superzooms haben nicht nur ihre Schwächen. Eine der - nein DIE - ganz grossen Stärken ist der unschlagbare Brennweitenbereich - meist decken sie zwei bis sechs einzelne Objektive ab. Mit einer solche Auswahl im Rucksack müsste ich über ein Jahr doch einen guten Eindruck davon bekommen, wo ich mich üblicherweise bewege? Etwas Shell Magie 4) und Excel Libre Office Calc machen mich schlauer:
Dass mich 50mm nicht zu begeistern vermag 5), weiss ich seit 40 Jahren, es hätte gerade mal 4(!) bzw. 1% der obigen Bildern gegeben. Schon besser war meine Wahl eines 24-105ers während meiner Reisejahre, es hätte 185 Bilder bzw. die Hälfte ermöglicht. Was mich dann aber 6) komplett überrascht hat, sind die 265 bzw. Dreiviertel Bilder, die ich mit einem 70-200er abdecken könnte 7). Kombiniert mit einem kleinen Weitwinkel hätte ich alles - das lässt mich zukünftig definitiv anders packen!
Das Bild vom Tag auf meinem Bildschirmhintergrund - was war da vor einem Jahr? - soll mich weiter begleiten. Passend zu einer Linse aus den 90ern wähle ich Fujichrome Velvia als Basis Look für Finishing 8), welcher die Fehler den Charakter der Linse noch intensiver betont. Der Code für den automagischen Wechsel behalte ich bei, mittlerweile habe ich (hoffentlich!) alle Corner Cases abgefangen.
Und hier ist das Resultat
Sharing is caring heisst es
Kleine Warnung: WORKSFORME
. Das Binary und DMG sind nicht signiert und brauchen einen Tanz rund um den Gatekeeper, die Bilder sind auf mein 16“ Retina Display zurechtgestutzt. Falls Du wahnsinnig genug bist, es zu versuchen, würde ich mich über einen kurzen Kommentar freuen! Und für alle anderen: Spricht mich an. Wenn ich meinen Computer mit dabei habe, zeige ich Dir gerne das Bild vom Tag!
exiftool -s -FocalLength *.jpeg | grep FocalLength | sort | uniq -c | awk '{ print $4 „\t“ $1 }' | sort -n
Der Sommer gibt noch einmal Vollgas, Temperaturen von 30°+ und Tropennächten. Ich geniesse die Wärme, bald genug wird der fehlende Speck sich wieder als Hindernis im Wohlfühlen draussen zeigen. Nebst dem Bild vom Tag ziehe ich zwei grosse Fotostrecken durch, bereite mir und anderen viel Freude.
Dass die letzten Monate intensiv waren, sehe ich beim Exportieren der Bilder. Ich habe eine Premiere, zum ersten mal habe ich eine Namenskollision in einer Fotostrecke: Sowohl am 4.11.23 als auch am 27.8.24 wählte ich 7N9A8053
zum Bild vom Tag. Scheint eine gute Nummer zu sein