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Blibed Gsund

Vor genau zwei Jahren kapitulierte auch unsere Exekutive - am Freitag, dem 13. März 2020 schlossen die Schulen, drei Tage später der ganze Rest. Alles wurde anders und blieb es für lange.

Seit knapp einem Monat ist es quasi vorbei - ich muss auf meinen Reisen zwischen Zürich, Bern und Basel Maske tragen, finde aber immer mehr Kunden und Mitarbeiter in den Büros. Noch erlebe ich die Stimmungen in den Städten unterschiedlich: Die Zürcher verabschiedeten Corona mehrheitlich am Montagmorgen vor drei Wochen, in Bern herrscht noch grosse Panik, in Basel sehe ich beinahe ein Grabenkampf wie früher zwischen Klein- und Grossbasel. Als Verkäufer mit Fähigkeitsausweis konnte und kann ich die Erleichterung nachfühlen, die das Personal nach 16 Monaten gefilterter Luft und beschränkter Kommunkation erlebt - habe ich doch selbst noch immer Mühe damit, maskierten Menschen einzuschätzen und in meinem Filter nach „harmlos“ und „gehe ich aus dem Wege“ zu bewerten. Ein Verkaufsgespräch? Unvorstellbar. Zumindest für mich.

Das Plakat in Brugg begegnete mir auf einer meiner Reisen und ich fand es derart absurd, dass ich es mit meiner Kamera besuche. Damit's bald wieder ist wie's war.

Unsere Lieferketten sind noch lange nachhaltig durcheinander, an unsere neue Arbeitsweise müssen wir uns gewöhnen, die Personenfreizügigkeit steht auf wackeligen Füssen. Die Energiepreise explodieren, die Inflation rennt wie wild, unsere Mieten werden bald steigen und wir Ende Jahr hitzigen Lohndisussionen führen müssen. Wir sehen bald eine verlorene Generation in den Betrieben auftauchen, die Psychologen und Psychiater haben ellenlange Wartelisten, kaum jemand fühlt sich derzeit wohl in seiner Arbeitsstelle und alle Menschen in meinem Umfeld (inklusive mir selbst) sind mindestens 10 Jahre älter geworden. In Europa ist Krieg, der eiserne Vorhang wird gerade wieder aufgebaut, der rote Knopf war in den letzten 60 Jahren nie so nah bei den Grossen und Mächtigen wie jetzt.

Nein, 2019 war definitiv nicht so…

Fotoferien

Ferien sind ein schwieriges Thema für mich. Um die Policy meines Arbeitgebers zu befriedigen, reichte ich im letzten Oktober drei Wochen ein - der Zeitraum Ende Januar / Anfangs Februar war die letzten Jahre eine gute Zeit zum Abschalten, die letzte solche Zeit 2 Jahre her. Nur ist dieses Jahr alles anders, die bekannte bald-ist-ende-jahr-torschlusspanik zog sich bis zum 24. Dezember und legte am 3. Januar gleich wieder los. Drei Wochen vor und 6-8 Wochen nach „Ferien“ ist einfach Chaos und ich frage mich immer, ob es das überhaupt wert ist. Und da ich im Januar doch ziemlich angeschlagen war und es nicht schaffte, einen Ersatz für mich aufzutreiben, dümpelten mittendrinn Arbeitstage. Ja, ich hätte sie bleiben lassen können - aber dann nicht mehr in den Spiegel gucken oder vor meine Kunden treten können.

Nichtsdestotrotz legte ich mir ein Programm zurecht: Menschen im Studio. Statt in Zugbillette und Hotelzimmer investiere ich in Studiolicht, setze mich intensiv mit Lichtformern und deren Wirkung bei Portraits auseinander. Was machen Reflektoren, Schirmchen, Softboxen oder eine Beauty Dish mit dem Menschen vor meiner Kamera?

Ich schaffe gar eine ISO Reihe am Limmatquai mit beiden Kameras, stiefle Presets zusammen, die meinem Geschmack betreffend Rauschreduktion entsprechen. Zwischendrinn mache ich einen Vergleich unter den 50ern in meiner Vitrine, suche nach einem Weg, ordentliche Makrobilder zu machen und finde ihn in einen Umkehrring. Und ich realisiere eine Strecke mit Digiknipse und Film - ziemlich frappant, das „gleiche“ Bild in unterschiedlicher Technik vor mir zu sehen.

Aber nicht nur das Technische, auch das Menschliche findet seinen Platz. Ich spüre gut, dass ich so langsam lerne, Regie zu führen - ein grosser Teil dieses Prozesses sind wohl die Fotostrecken mit mir selbst. Wie soll man bzw. frau vor die Kamera stehen? Welche Posen haben welche Wirkung?

Irgendwann, in einer schlaflosen Nacht, blinzelt der Mond durch mein Fenster. Und ich bekomme eine Anfrage zu einem Foto aus meinem Archiv und einen spontanen Einsatz als Ersatz für eine Hochzeitsreportage - beides spannende Momente, die dann aber doch im Sand verlaufen.

Nein, Ferien zum Erholen waren es keine. Aber es war unglaublich lehrreich und hat so richtig Spass gemacht!

Schlaflos

Es ist eine der Nächte, in denen ich nicht wirklich Schlaf finde. Die letzten Wochen (oder besser Monate?) gibt es zwei bis drei solche wöchentlich und ich bin mir bewusst, dass es ein Zeichen fehlender Work-Life-Balance ist. Immerhin, das Adrenalin hält mich am Leben, auch in Tagen nach einer Nacht im Dämmerzustand.

Ich blicke aus dem Fenster, über der Langstrasse blinzelt der Mond. Kratze all meine himmelsmechanischen Erinnerungen zusammen und realisiere, dass er in Bälde hinter der Dachterasse über dem „Krokodil“ verschwinden wird. Es reicht, Stativ, Kamera und 500er Spiegel aufzustellen und mich mir der Herausforderung zu konfrontieren, dass diese Linse unmöglich herausfordernd zu fokussieren ist. Nicht lang und er taucht unter, in der Stunde danach bringe ich zwei Bilder in schön hin und kann mich nicht entscheiden, welches der Beiden nun das überzeugendere ist.

Erkenntnis dieser kalten Nacht: Die Erde mag eine Scheibe sein, der Mond ist aber auf jeden Fall eine Kugel. Ich bekomme entweder seinen Rand oder den Bauch scharf 8-)

Schützenhaus

Es ist einfach grässliches Huddelwetter. Ich bin froh um jede Dichtung in meiner Kamera, auch wenn ich sie nur kurz aus dem Rucksack nehme.

Aber das muss jetzt einfach sein - schliesslich lernte ich Nala, an diesem Wochenende vor 30 Jahren, genau hier im Winterthurer Schützenhaus kennen 8-)

Danke für diesen langen und intensiven Weg mit Dir, all diese Jahre miteinander, unsere gemeinsamen Projekte und Erlebnisse. Du bist und bleibst die Frau meines Lebens!

Energie

Mich erreicht eine Mail mitten aus der Karibik: Dein energievoller Neujahrswunsch an Beat wird am 1. und 2. Januar 2022 (17.00 Uhr bis 23.00 Uhr) auf das Grossmünster projiziert. Das lasse ich mir natürlich nicht nehmen, packe Kamera, Stativ und Fernauslöser ein und stelle mich ans Limmatquai. Es ist zwar saukalt, aber das ist im Winter glaubs so ;-)

Die EWZ haben einen Silvesterzaber Light eingefädelt, ein bekannter Lichtkünstler (seine nächste Destination soll das Taj Mahal sein) brachte sein Rudel grosser Projektoren mit und durchgefrorene EWZ Mitarbeiterinnen rähmeln 24x24cm(!) Dias in Glasrähmchen. Nach Zwingli, Zürifäscht Löwen, Herzchen und Schweizerkreuzchen kommen die Namen - Gewinne aus einem Wettbewerb, wie ich vor Ort erfahre - und ich bin für einmal froh, dass der Beat früh im Alphabet kommt.

Danke Nala, das war ein wunderbarer Spass! =)

Heiligabend

Was für ein verrücktes Jahr, was für ein durchgeknallter Dezember. Seit meinem Weggang aus dem Hardwaregeschäft habe ich keine so chaotische Zeit mehr erlebt - bis zur letzten Stunde sind meine Kunden aktiv und wollen Dinge erledigt haben. Am letzten Sonntagabend vergass ich den Wecker und startete verspätet in die Woche, mein Körper nutzte die Chance, rebellierte und machte aus einem Pfnüsel eine ausgewachsene Männergrippe. Jetzt ist die Weihnachten da, ich bin erledigt, draussen regnet es. Ich entschliesse mich, statt dem üblichen Abendspaziergang zum Heiligabend mit Christbaumkugelselfie eine gemütliche Fotorunde in meiner Stadtwohnung zu machen.

Wir sind definitiv in den 20ern angekommen. Das erste halbe Jahr war ich noch mit der Fotoschule beschäftigt, lernte, tüftelte, produzierte Bilder und fand mit einem sehr eigenen Portfolio einen Abschluss. Das zweite halbe Jahr klemmte ich mich in meinen Hintern, versuchte in meinem „neuen“ Job die Füsse auf den Boden zu bekommen. Herauszufinden, was meine Aufgaben sind, wie ich sie anpacken muss und meinen Arbeitsgspöndli zu zeigen, was ich kann und wo meine Grenzen liegen.

Da ich nicht bereit war, mich bei beiden Dingen für einige Tage unkontrolliert ausser Gefecht zu setzen, bin ich nach wie vor unzertifiziert. Es ist Pokern mit meinem Leben, dessen bin ich mir bewusst - bin ich doch nach intensiven Erlebnissen nicht mehr Willens, auf Intensiv zu liegen. Im Büchergestell neben mir liegen entsprechende Dokumente, meine Liebsten wissen, wo sie sind und wie ich denke. So lange Trams und Autos mich akuter bedrohen als Viren, werde ich wohl diesen Weg gehen.

So nutzte ich die vergangenen 3 1/2 Monate Lockdown meinerseits zum Einarbeiten in die neue Arbeitsweise als Informatiker mit Kundenkontakt. Ich gab mich bewusst ins Home Office, ergänzte meinen Esstisch durch einen Stehtisch mit Motörchen und bin seit der Ankunft der Ever Given in Rotterdam Besitzer eines ergonomischen Hockers. Mein Rücken findet es auf jeden Fall grandios, der Ischiasnerv zwickt nicht mehr, die Arschbacken werden wieder rund. Ich gab mich in Confcalls, Remote Desktops und -Shells, physische Distanz zu Menschen. Lernte, auch damit einen ordentlichen Job zu machen und brachte einige Projekte zum Abschluss.

Ich gehe mit meinem Murphyanismus schon seit über einem Jahr davon aus, dass uns das noch sicher bis Mitte Jahrzehnt begleiten wird. Im Sommer war auch mein Arbeitgeber so weit und reduzierte Büroarbeitsplätze, vor einer guten Woche hat es bei unserer Exekutive geklingelt und sie haben uns noch einige harte Winter vorausgesagt. Wir sind definitiv in den 20ern angekommen, die gute alte Zeit ist Geschichte.


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