Ferien! Eine Woche gönne ich mir, die International Supercomputing Conference steht auf dem Programm. Ich habe von letztem Jahr einen bereits bezahlten Eintritt, den ich damals nicht wahrnehmen konnte.
Ich bin Kongress, gehe ins Kino und Museum, besuche Bekannte aus vergangenen Jahren. Bin von der Stadt erst einmal etwas erschlagen, die Kontraste zwischen arm und reich sind noch deutlicher geworden, die Lust auf einen Fotospaziergang vergeht mir, als ich mitten in die offene Drogenszene gerate.
Meine monatliche Reise nach München. In Lindau fehlt etwas essentielles, die Lokomotive für den langen Weg durchs Allgäu. Verspätung des Gegenzuges infolge Personen auf dem Geleise, was auch immer das heissen mag.
Für einmal bin ich froh darüber, am Vortag anzureisen und mich über die Dreiviertelstunde Verspätung nicht aufregen zu müssen.
Neugierig guckt er aus der Mauerspalte, mein Zug ist noch weit weg und ich kann mir Zeit lassen, sein Vertrauen zu gewinnen.
Einer der Tage an denen ich es verfluche, die Kamera nicht im Rucksack zu haben.
Samstagabend. Während ich meine frischgewaschenen T-Shirts zusammenlege geht draussen die Welt unter - zumindest tönt das Donnergrollen im Keller ziemlich gruselig. Zurück in der Wohnung sehe ich einen wundervollen Regenbogen (ich habe mal gelernt, dass das das Zeichen sein soll, dass nie mehr eine Sintflut kommt).
Das galt nicht für die VBZ, Stromausfall auf allen neuralgischen Plätzen in Zürich. Mein Abendspaziergang führt an mehr stehenden Tramzügen vorbei als ich je auf einem Haufen gesehen habe. Stauffacher, Paradeplatz, Bellevue, Central, Hauptbahnhof - alles still. Ich bin fasziniert von der Ruhe, war mir bis zu diesem Abend nicht bewusst, wieviel „Grundrauschen“ der Tramverkehr in dieser Stadt eigentlich erzeugt.
Der letzte Sonntag im April, ein strahlender Frühlingstag, Pinhole Day. Vor bald zwei Monaten war ich das letzte mal mit meiner Kamera unterwegs, meine Kreativität blieb neben der vielen Arbeit an allen Ecken und Enden einfach begraben - entsprechend bin ich noch am Morgen unschlüssig, was ich aus dem Tag machen will. Warum nicht einfach dieses depressive Gefühl mit dem Medium Lochkamera umsetzen?
Nach ein paar Versuchen in siffigen Unterführungen finde ich dann auch die perfekte. Das Loch, das einen aus dem sonnigen Tag in die Tiefe zieht. Dunkel, beängstigend, ausweglos. Im Gegensatz zur Migräne hilft mir dieses mal die Auseinandersetzung, mit geht es nach diesem Fotospaziergang wesentlich besser.
Es ist Weltfrauentag, kurz nach 20:00. Ein paar Demonstrantinnen haben sich versammelt und ziehen durch die Strassen, wie ich später erfahre ohne sich vorab um eine Bewilligung gekümmert zu haben. Die Stadtpolizisten sind äusserst nervös, rasen erst mit Blaulicht kreuz und quer durchs Quartier, errichten alsbald eine Strassensperre vor meiner Nase, verteidigen diese kurz nach neun mit Schüssen in die Luft. Etwas später taucht der eine Wasserwerfer auf, sein Motor läuft permanent, in meiner Wohnung lärmt's und stinkt's.
Kurz vor Mitternacht kehrt Ruhe ein, die Polizei zieht ab, ich mache neugierig einen Spaziergang durchs Quartier. Die Demonstrantinnen sammeln sich im Hof, kaum eine ueber mitte zwanzig, alle traumatisiert von dem Erlebnis, eingekesselt zu sein. Mädchen, wir sind im braven Zürich. Ihr habt ein verfassungsmässiges Recht darauf, zu demonstrieren und Eure Meinung zu vertreten. Aber bitte meldet das an, dann haben die „Blauen“ keine Angst vor Euch, sondern gucken, dass Ihr nicht unter die Räder kommt.