Am Wochenende reiht Herr SBB einen Bpm 51 am Schluss des Interregios von Chur nach Basel ein. Ich packe die Chance und mache etwas Experimentalfotografie durch die Fenster.
Ein Tag ohne Bilder ist ein verlorener Tag. Ueber den letzten Monat hatte ich viele verlorene Tage… Die wenigen Bilder, die ich machte, waren Dokumentation für mein Tagebuch - die meiste Zeit verbrachte ich in einem Spital und am Aufräumen und Entsorgen von fremden Erinnerungen, schaffte Platz für Leben. So langsam sehe ich den Horizont, das Licht am Ende des Tunnels.
Nach Jahren habe ich meinen Fahrausweis aus den Tiefen meines eigenen Krempels gefischt und bin am Steuer gesessen. Ein ganz anderes Gucken als beim Fotografieren, die Anstrengung hat mich doch ziemlich geschlaucht.
Es war Sommer, so richtig Sommer. Fünf Wochen schön und heiss! Auf dem Weg zwischen Büro, Obstalden und Zürich begegneten mir viele kleine Details, die ich ohne Kamera mitnahm. Im HB Zürich sass eine Taube auf dem Brunnenrand und trank Wasser. Im Sprinter eine junge Mutter, erzählte Sprössling eins aus einem Büchlein vor und packte für Sprössling zwei ihre Milchfabrik aus. Am Gleis drei im HB ein Pärchen, das sich regelmässig am Abend traf und lange miteinander schmuste - ganz verstohlen sitzte die etwas jüngere Blondine auf dem Schoss des etwas älteren Herrn und liess vermuten, dass er zuhause seine Verpflichtungen hätte. Auch in Obstalden war es heiss, eine Wespe sass auf dem einen Brunnenrohr und trank mit mir zusammen Wasser. In Näfels-Mollis eine Katze auf dem heissen Blechdach, verfolgte mich mit dem Blick einer erfahrenen Jägerin. In Rapperswil ein Rudel Spatzen auf der erfolglosen Jagt nach einer Libelle. Noch noch einmal ein junges Mami, das sich ungeniert vors AVEC in Näfels auf den Boden setzte und ihrem Sprössling die Brust gab.
Ein spezieller Sommer, an den ich mich wohl noch lange erinnern werde.