Ein paar Impressionen vom Weg zwischen Jugi und Bahnhof. Ich konnte es nicht lassen und musste mit dem Wasser spielen In der Stadt selbst mag ich meine Kamera nicht hervornehmen. Die Stimmung ist gereizt, fast schon explosiv. Zum Grabenkampf zwischen den Stuttgart21 Gegnern und Beführwortern, in den ich selbstverständlich sofort involviert werde, kommen noch einen Zug voll schwarzer Gestalten, die auf dem Weg zum „Wacken“ in Norddeutschland sind. Noch einmal bin ich mitten im Geschehen, als ich etwas zu futtern jage. Auf dem Heimweg ein paar tiefe Gedanken. Hätte mich jemand nach meiner Meinung gefragt, ich hätte geantwortet: „Mir geht es am Ar*** vorbei, ob Ihr einen neuen Bahnhof bekommt oder den Alten behaltet. Aber ich finde es aber absolut grossartig, dass Ihr Euch für demokratische Rechte einsetzt.“ Nur - wären die Menschen wirklich für demokratische Entscheidungen reif?
Mir kam die Aussage eines alten Briten in den Sinn, der Demokratie als „Diktatur der Mehrheit“ bezeichnet. Und damit trifft er ins Schwarze. Mindestens einen Teil der Stimmberechtigten verliert und muss danach einen Entscheid tragen, der so ganz anders aussieht als das, was sie wollten. Ich dachte zurück an die letzte Landsgemeinde, an die vielleicht vier Traktanden, die mich persönlich interessierten. In einem war ich ambivalent, in zweien hat die Landsgemeinde nach meinem Sinn abgestimmt, in einem anders. Für mich ist es selbstverständlich, dass ich den Entscheid akzeptiere und ihn mittrage, auch wenn er mir gegen den Strich geht. Wären die Leute, die im Park zelten und in den Bäumen hängen, bereit, eine 51% Annahme in einer nach schweizerischem Verständnis abgehaltenen Abstimmung zu akzeptieren? Wären die schimpfenden und futternden Befürworter an der Klagemauer beim Nordausgang bereit, eine 51% Ablehnung ihres Lieblingsprojektes zu akzeptieren?
Genau diese Niederlagen zu akzeptieren und anschliessend die Entscheidungen der Mehrheit zu tragen, ist wohl einer der grössten Schlüssel zu einer direkten Demokratie. Etwas, was unsere nördlichen Nachbarn (und nicht nur diese) noch nie gemacht haben. Ihnen fehlt diese Tradition. Wahrscheinlich würden sie mit dem neuen Recht genauso viel Aerger bekommen wie mit der aktuellen Situation… Trotzdem, ich hoffe noch immer, dass sich die Leute auf den Bäumen ein Bisschen Gehör verschaffen können und einen kleinen Stein bewegen mögen. Sie selbst werden wohl nie in den Genuss dessen kommen, was für uns selbstverständlich ist - aber vielleicht gelingt es ihnen, für ihre Urenkel eine etwas bessere Situation zu erreichen. Denn das, was sie jetzt gerade vor sich haben, ist in meinen Augen alles andere als optimal. Einen Staat, zu dem sie sich nicht (mehr) verbunden fühlen. Dessen Vertreter da irgendwo in Berlin Entscheidungen fällen und sich mit einem dicken Gürtel von Bediensteten abschotten müssen (könnte sich jemand vorstellen, dass Merkel ohne Polizeischutz durch die Königsstrasse geht? Unsere Bundesräte werden des öfteren alleine in der Bahnhofstrasse gesehen.). Ein Ding, das einfach da ist und sie tagtäglich fickt. Seinen Sozialstaat durch Harz IV ersetzt und Steuergelder in Milliardenbeträgen ins Ausland investiert. Das weckt schlechte Laune, die sich für mich spürbar in den Menschen niedergeschlagen hat.
Während ich das schreibe, gehen gerade Deutsche Zöllner durch den Zug. Kontrollieren ausschliesslich ihre eigenen Bürger, die ausreisen wollen. Unangenehme Gedanken kommen auf: Es gab schon einmal ein Deutschland, dass das regelmässig gemacht hat…