Sie lag am Heiligabend 1983 unter dem Christbaum.
Klein-Beat ging in die 6. Klasse, der Uebertritt in die Sek war unter Dach und Fach. Seine Mitschüler machten ihm das Leben zur Hölle, der Lehrer warf mit Bleistiften und Radiergummis durchs Klassenzimmer. Lange Spaziergänge in Zürich und auf dem Uetliberg wurden zu meinem Ventil.
Kurz zuvor brach mein Vater sein Projekt Selbstständigkeit ab, das Haus war voll Inventar aus dem Laden an der Zweierstrasse. Das Gastzimmer wurde eben zu meinem Zuhause und sollte es für die nächsten Jahre auch bleiben.
Trotz Schulden und viel zu langer Arbeitstage wollte mir mein Vater etwas zugute kommen lassen. Die Sommerferien verbrachte ich mit dem Ferienpass zuhause in Zürich, meine Fotos mit der Agfamatic Pocket meiner Mutter scheinen mein „Sehen“ aufgezeigt zu haben. Ich sollte eine ordentliche Kamera bekommen.
Die Evaluation dauerte lange und war fundiert, ein 5cm Stapel Prospekte und Preislisten lag auf meinem Nachttisch. Etwas Steuerung von meinem Vater, es sollte keine Knipse sein, sondern eine „richtige“ Kamera. Eine, bei der ich einzustellen hatte und etwas lernen würde.
Prägende Erlebnisse, deren Wirkung mir teilweise erst in diesem Jahr so richtig bewusst wurde.
Die Pentax K1000 mit dem 2.0/50er begleitete mich lange, für die vielen Filme fanden meine Eltern und ich selbst immer etwas Geld im Portemonnaie. Es kamen Teile hinzu, drei Jahre später erbte ich eine Olympus, noch einmal drei Jahre später kaufte ich mir von meinem Lehrlingslohn eine Hasselblad, noch einmal viele Jahre später verschwand auch diese und ich bin seither mit einer grossen Digiknipse unterwegs. Sie blieb bei mir, eingepackt in ihrer Bereitschaftstasche, wie sie unter dem Baum lag. Manchmal in einer Bananenschachtel im Keller, manchmal in einer kleinen Vitrine, aktuell liegt sie im Zimmer von Maja.
Vor zwei Jahren packte ich sie ein, kaufte unterwegs eine Batterie und Film. Machte vor dem Nachtzug noch einen Besuch bei meinen Eltern und zeigte sie meinen Vater. Er sollte wissen, wie viel sie mir bedeutet hatte, wie viel sie in meinem Leben ausgelöst hat.
Es sollte das letzte Mal sein, dass ich ihn zuhause sehe.