Fünf Tage „in the middle of nowhere“, nahezu offline, ohne root
und IP. Ein improvisiertes Studio aus dem Rucksack und Köfferchen, eine Horde herrlich schräger Menschen und viel Zeit für wundervolle Bilder.
Dank an Heiko für die tolle Zusammenarbeit und das Bild von Beat in Action
Nach einem geschäftlichen Morgen geniesse ich den freien Nachmittag und ziehe mit Kamera durch Chemnitz. So strahlend die Sonne auf den Bildern scheint, der eisige Wind bläst mir tief in die Knochen.
Als erstes hatte mich am frühen Morgen der Bahnhof fasziniert - eine riesige Halle, ganz ähnlicher Stil wie der Hauptbahnhof in München. Die Unterschiede sind dezent wie die beiden Ueberwachungskabinen an beiden Enden oder auch sehr offensichtlich wie die fehlenden Züge und Menschenmassen. Aktuell wird umgebaut, die Strassenbahn kommt in die Halle. Chemnitz ist bettelarm, die Bahn erschliesst die Stadt nur noch mit Regionalzügen.
Mein weiterer Weg führt an den wenigen, aber gepflegten Touristenattraktionen vorbei zum Schlossteich. Eine wundervolle Oase, noch grüner als die Stadt selbst. Ein paar Strassenzüge sehen noch so aus, wie ich die DDR kurz nach der Wende in Erinnerung habe - alternde Fertigbauten und grosses Kopfsteinpflaster. Müde und durchgefroren suche ich den Weg zu meiner Unterkunft, stolpere unerwartet über sozialistische Kunst.
Am Abend bin ich ohne Kamera unterwegs, versuche etwas Futter zu ergattern. Der Begriff strukturschwache Region bekommt eine andere Farbe. Ich sehe viele Häuser, aus denen kein Licht mehr kommt, versuche vergebens ein örtliches Restaurant bzw. einen bedienten Tisch zu bekommen. Im streng bewachten Bahnhof finde ich einen schnellen Burger - nicht ganz das, was ich mir vorgestellt habe, aber wenigstens genug Kalorien für die Nacht. Auf dem Weg zurück die andere Erkenntnis: So arm die Stadt auch ist, so sauber ist sie. Der Bahnhof, die Strassen, die Pärke - alles sauber, kein Müll, keine Schmierereien.
Ich glaub mich knutscht ein Elch! Es ist Ende September, die Weihnachtsdeko steht bereit.
Ueberlege mir gerade, ob ich zugreifen und gleich feiern soll. Dann hätte ich es hinter mir
Zwei Tage unterwegs am Rhein, nach einem gemütlichen Wochenende. Die Entspannungsmigräne haute erneut zu, ich bin erst am Dienstag wieder Fotofähig… Der Morgen ist frei, ich mache vor und nach der kurzen Zugfahrt einen langen Spaziergang. Fast einen Monat ist es her seit meiner letzten grösseren Fotostrecke und ich habe Nachholbedarf - mich mag nicht einmal der dicke Nebel über Spay demotivieren
Es dauert lange, bis sich die Sonne endgültig in Szene setzt, ich bin unterdessen in Bonn. Ein endlos langes Geländer sperrt den Weg vom Fluss, etwa in der Mitte taucht ein Maler auf, aus dem schäbigen Schwarz wird neues Weiss. Jeden Morgen aufstehen, Pinsel in den Topf, Farbe ans Metall. Abends ein paar Meter weiter. Mit dem Wissen ins Bett, dass es morgen im selben Trott weitergeht… Ich bewundere den Mann, seine Geduld und seinen Durchhaltewillen. Mir würde das gerade fehlen, ich bin froh darum, dass mich jeder Tag mit Neuem herausfordert.
In zwei Wochen sollte ich am Aufbau eines improvisierten Studios sein - Raum und Zeit für Bilder von einem wilden Haufen faszinierender Menschen. Der schwere (und „billige“) Teil meiner Ausrüstung geht schon jetzt auf die Reise, die Kamera und das Notebook werden mich wie üblich persönlich begleiten.
Noch nie fühlte sich ein so nahes Fotoprojekt so fern. Mein Leben ist gefüllt von Terminals, RRD Grafen und Excel Sheets, vielen Verpflichtungen und allerlei Dingen, die gestern hätten erledigt sein müssen. Ich bin gefangen im Kreislauf zwischen fehlender Motivation, etwas Spezielles zu tun und dem Frust, nichts Spezielles getan zu haben. Die letzte Auszeit ist drei Monate her, irgendwie viel zu lange.
Mit etwas Glück bin ich die nächsten Tage unterwegs und werde aus dem aktuellen Kreislauf ausbrechen können. Danach wieder in der Lage sein, mich auf Menschen einzulassen und in ihnen nicht nur Verpflichtungen zu sehen.
Sonntagsspaziergang in Zürich. Für einmal ganz langsam, mir platzt beinahe der Schädel… Genug Zeit, Blicke in die vielen Läden voller Krimskrams zu werfen, die den Weg durch Zweier-, Birmensdorfer- und Löwenstrasse säumen. In einem steht eine kleine Skulptur, ein afrikanisches Mädchen, ganz im Stil der Kolonialzeit. Irgendwie exotisch, gleichzeitig durch eine imposante Unterhose züchtig verhüllt.
Sie erinnert mich daran, dass ich noch nie einen dunkelhäutigen Menschen vor der Kamera hatte - ein Gedanke, der mir kürzlich eben durch den Kopf ging. Ich stelle mir das als ziemliche Herausforderung vor. Ganz andere Kontraste, die Frage nach passendem Hintergrund und Beleuchtung. Aber auch die Frage, wie ein ästhetisches Bild aussehen müsste. Mir liegt viel daran, Menschen vor der Kamera respektvoll zu zeigen und ich bin mir bewusst, dass bei einem dunkelhäutigen Menschen ganz viel Geschichte und Vorurteile vorhanden sind.
Bin gespannt, ob ich die Chance jemals erhalten werde. Obiges Bild wandert jedenfalls in mein Sammelsurium von Inspirationen - mit einer gewissen Ambivalenz, ob eine solche Pose jetzt „schön“, „kitschig“ oder einfach nur „abschätzig“ ist…