Der morgendliche Spiessrutenlauf durch das San Franciscoer Slum hat erfolgreich geklappt, die Fahrt mir der U-Bahn zu Embarcaredo auch, die Busfahrt über die Bay Bridge genauso. Ein echter Bähnler zeigte mir vor dem Ferry Building den richtigen Bus, der Fahrer schaffte trotz morgendlicher Rush Hour pünktlich anzukommen.
Ich habe ziemlich Bammel. Ein A4 Blatt mit einem Barcode, der Strecke und dem Hinweis auf einen Reserved Coach Seat. Ich müsse nicht einchecken, weiss auch nicht welchen Sitz der Meine sein soll. Ungewohnt. Muss ich vielleicht doch noch irgendetwas tun?!?
Schnell Entspannung. Sitzplatz ist Free Choice, unterwegs kommt der Conductor und hängt einen Zettel an die Gepäckablage. Ab diesem Augenblick ist mein Platz für mich reserviert, für die nächsten 35 Stunden kann ich mich entspannen und geniessen.
Bring mir einen Cable Car mit! und Mach mit ein Foto von der Transamerica Pyramid. hiessen die Aufträge, die ich an die amerikanische Westküste mitnahm.
Doch erst brauchte ich eine neue Jeans, meine aktuelle hat den 12-Stunden-Flug nicht überlebt und es zieht mir an den Arsch. Google meint da im Südwesten soll es einen Levis Shop geben und ich pilgere trotz Migräne die Market Street hoch bis zur Castro Street. Regenbogenfahnen schmücken die Strasse, die beiden stockschwulen Verkäufer bedienen mich vorzüglich.
Auf dem Rückweg klart das Wetter, ich traue mich mitten im Touriviertel die Kamera auszupacken. Drei Linien, Fünf Endstationen, ganz viele Kilometer. Das Nette dabei sind die vielen Eindrücke neben der Schiene, ich bekomme einen guten Einblick in das „alte“ San Francisco. Zum Schluss gehe ich bis zum Ende der California Street und lande im Finanzdistrikt der Stadt. Endlich mal einen Starbucks, bei dessen Betreten mich keine gierigen Augen begleiten…
Ein langer Spaziergang unter der Kalifornischen Sonne. Ich gehe vom Ferry Building der Küste nach Richtung Nordwesten, blicke auf die immer näherkommende Golden Gate Bridge. Als ich endlich den Punkt erreiche, von dem ich das Foto machen will, wabert eine dicke Nebelsuppe vom Pazifik her und versteckt die Brücke. Immerhin, mal kein 0815 Postkartenbild
Faszinierenderweise habe ich dieses Mal nahezu kein Problem mit dem Jet Lag - dafür umso mehr mit dem Kulturschock. Die S-Bahn hatte mich nach der erfolgreichen aber langen Immigration im Civic Center ausgeladen und mein Weg durch die Larkin und Ellis Street führte durch eine ziemlich üble Gegend. Die Leute auf der Strasse sind sichtlich alle joblos, bei vielen ist ein Einkaufswägelchen mit ihren Habseligkeiten das Zuhause. Alle beäugen mich, schätzen meine finanziellen Verhältnisse ein, sprechen mich teilweise auch nach einem Quarter an. Auf der Strasse die glänzenden Autos mit den grossvolumigen Motoren, ein extremer Kontrast zwischen bettelarm und steinreich. Allen gemeinsam das grosse Misstrauen im Gesicht. Der erste freundliche Mensch in San Francisco ist der Amtrak Mitarbeiter, den ich kurz nach dem Check-In Verfahren für den Freitagmorgen frage.
Kein Ort, um mit einer fetten Kamera in der Hand rumzulaufen.
This city will drain you out meint ein Mitbewohner in der Unterkunft. Er hat lange hier gelebt, sass auch mal im Knast. Crystal Meth mache die Leute im Bankenviertel erst einmal reich, danach findet man sie auf der Strasse. First you win, then you loose… Er dürfte gar nicht so unrecht haben, sicher ein Drittel der hunderten von Strassenbewohnern spricht mit sich selbst, hat Koordinationschwierigkeiten, ist gezeichnet von Krankheiten, bis hin zu amputierten Gliedmassen.
Mir kommt der amerikanische General in den Sinn, der von Maurer im Rahmen der Wehrpflichtabschaffungsinitiative zitiert wurde. Wie soll ein Land eine freiwillige Armee aufstellen, in dem es keine Ghettos zum Rekrutieren gibt? Ist jetzt vielleicht eine Verschwörungstheorie - ist es im Willen der Amerikanischen Führer, ihre Armen möglichst arm zu lassen? Der starke Druck gegen Obamacare lässt mich solches vermuten.
Auf dem Heimweg mache ich noch einen Abstecher ins Cable Car Museum und verbringe eine spannende Stunde in der Geschichte von San Francisco. Die Bilder vom Erdbeben 1906 trage ich mit und überlege mir öfters, wie die Stadt wohl nach dem nächsten Big One aussehen wird. Wohl wie New Orleans. Die, die es sich leisten können, ziehen weg. Die, die nichts zu verlieren haben, genauso. Uebrig bleibt wohl eine Hand voller Leute und Löcher im Stadtbild…
Mal wieder einer der Tage, an denen ich ganz viele Dinge zum ersten Mal gemacht habe. Gut 12 Stunden Flug, das erste Mal in einem vierstrahligen Flieger, das erste Mal 9 Stunden Zeitumstellung, das erste Mal den Pazifik gesehen.
Mein Platz ist nicht optimal, dafür dass ich gestern noch rasch im Bahnhof Bern einen Web Check In gemacht habe bin ich aber zufrieden. Die Route ist atypisch, erst fliegen wir nach Osten, biegen vielleicht auf Höhe Sargans ab und überqueren Stuttgart, Frankfurt, Münster um westlich von Dänemark auf die Nordsee zu kommen. Eine endlos lange Querung von Grönland, durch das zerklüftete Kanada und am Schluss noch die Rocky Mountains. Von „oben“ betrachtet eine Gerade, auf der uns gewohnten Kartenansicht eher ein grosser Bogen.
Noch nie hatte ich derart viele Wolken in einem Flug. Die Spitzen der Alpen waren noch klar, dann erst wieder Löcher in Grönland und Kanada, jeweils mit Blick auf viel Schnee und Eis. Am Schluss ein wunderbarer Anflug auf San Francisco ins schönste Wetter hinein.
Ein „Fotowochenende“ ohne Kamera. Der Scanner arbeitet und das nicht einmal für mich, Maja sitzt lange neben mir und ich versuche ihr die Theorie hinter Blende, Belichtungszeit und Empfindlichkeit zu vermitteln.
Mir ist dieses Mobile irgendwie wichtig, in meinen Augen ist das Verständnis dieser Grundlagen der Unterschied zwischen Knipsen und Fotografieren. Gleichzeitig merke ich, wie schwierig mir das Vermitteln von Dingen fällt, die (meistens) so automatisch wie Atmen gehen und die ich noch nie vermittelt habe.
Vielleicht sollte ich das häufiger machen? *kopfkratz*
Spontane Idee im IRC am letzten Samstag - im Hackerfunk auf Radio Lora etwas über Fotografie zu erzählen. Ich fand die Idee spannend, schliesslich ist Fotografie Bilder ohne Ton und Radio Ton ohne Bilder. Mit zwei Kameras im Rucksack und einigen Notizen auf dem Notebook gehe ich ins Studio, fange erst die Stimmung des alternativen Radiostudios in der blauen Stunde ein. Die beiden Moderatoren an der Arbeit, das war irgendwie auch noch so ein Ziel meines Besuches.
Eine interessante Erfahrung, vor dem gelben Mikro zu sitzen und über ein Thema zu sprechen, das für eine Stunde irgendwie viel zu umfangreich ist. Ich verhasple mich öfters, habe ein ungutes Gefühl, den „roten Faden“ nicht getroffen zu haben. Das Bildermachen liegt mir definitiv mehr als das Radiosprechen, ich bin überrascht wie schwer mir das Adaptieren meiner Erfahrung in Computer Workshops und Vorträgen fällt. Trotz allem, es war eine gute Erfahrung und ein grosser Spass! Ich bedanke mich ganz herzlich bei den Moderatoren und den geduldigen Zuhörern.